KRASS Kultur Crash Festival-Leiter Branko Šimić : „Die Kunst kann sich eine bessere Welt ausdenken“
Das Festival auf Kampnagel in Hamburg will interkulturelle Austausch durch Reibung, denn „Wo kein Austausch möglich ist, herrscht Terror“, meint Festivalleiter Branko Šimić.
Branko Šimić, Sie leiten das KRASS Kultur Crash Festival seit 2012. Erklären Sie unseren bundesweiten Lesern doch bitte kurz, warum der Crash der Kulturen so dringend notwendig ist.
Branko Šimić: Der Crash ist absolut positiv: Daraus entstehen neue Positionen und Blickwinkel. Das KRASS Festival zeigt Projekte, in denen verschiedene kulturelle Einflüsse aufeinanderprallen, das ist der entscheidende Aspekt der KRASS Projekte. In unseren Augen bereichert dieser Zusammenstoß die Gesellschaft und bringt sie weiter, weil sich neue Zusammenhänge und Perspektiven ergeben. Es geht uns um einen konzentrierten Austausch; Austausch ist für uns Lebenseinstellung und politisches Statement, denn wir wissen: überall wo kein Austausch möglich ist, herrscht Terror. Das ist heutzutage mehr als klar.
KRASS Kultur Crash Festival: „Die Welt ist veränderbar“
In der Festivalbeschreibung vom KRASS Kultur Crash Festival finden sich die Sätze: „Die Veränderbarkeit der Welt ist das, was zählt. Kunst denkt Morgen.“ Was ist damit gemeint?
Wir sind ein Festival der Außenseiter. KRASS bietet ihnen die Plattform, sich zu positionieren. Wir verstehen uns als Bühne für diejenigen, die sich nicht mit einer Opferrolle oder den gesellschaftlichen Umständen abfinden wollen, sondern dagegensteuern und für Veränderung kämpfen. Dabei ist es uns wichtig, positiv und konstruktiv zu sein, denn die Welt ist veränderbar, und jeder kann seinen Beitrag leisten. Mit dem Programm wollen wir immer auch einen Gegenentwurf zu den herrschenden Verhältnissen bieten. Die Kunst kann sich die Zukunft ausdenken und auch eine bessere Welt.
Sie sind in den 90ern-Jahren vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland geflohen, was ihre Arbeit stark prägt. Jetzt ist wieder Krieg, diesmal in der Ukraine, wieder sterben und fliehen Menschen. Was macht das mit Ihnen, vor allem als Regisseur und Kurator?
Krieg ist immer gegen Leben und damit auch gegen Kunst. Ich erinnere mich an die erste Granate in Sarajevo, die nicht nur ein Haus zerstört hat, sondern auch die Illusion von der Welt als einem Ort der permanenten Entwicklung. Wir brauchen die Kunst, um die Realität zu reflektieren, um der Gesellschaft und jedem Einzelnen im Angesicht der Brutalität des Krieges eine Perspektive zu geben. Ich habe mein Kriegstrauma auf den europäischen Bühnen geheilt, indem ich über sie gesprochen habe. Jetzt müssen wir als KRASS Festival eine Plattform sein für die Menschen aus der Ukraine, aus dem Nahen Osten und für alle anderen, die noch kommen werden. Denn das 21. Jahrhundert wird geprägt sein von Flucht und Migration. Mein persönliches Ziel als Kurator und Regisseur ist es, den Menschen, die hierherkommen, ihren Ideen und Positionen Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen.
Fällt es Ihnen angesichts der furchtbaren Ereignisse zurzeit besonders schwer, zu arbeiten? Oder ist es so, dass Sie mit ihren Erfahrungen gerade besonders eine Brücke bauen können zu anderen Geflüchteten, menschlich und beruflich?
Wichtig ist zu verstehen, dass wir in einer Zeit der globalen Schocks leben und leben werden. Das was wir in den letzten Jahren erlebt haben, wird sich auch fortsetzen. Vor allem haben wir ein sehr großes Problem mit ungefiltertem Nationalismus, wie er zum Beispiel in Osteuropa gerade herrscht und Verwüstung hinterlässt. Dieser Nationalismus ist eigentlich das wesentliche Problem unserer Welt, weil er aggressiv und brutal ausschließt, dass etwas anderes existiert und so auch versucht, Krieg zu legitimieren. Das war in Jugoslawien so, das ist so in der Ukraine. Wir werden eine Perspektive haben, wenn wir eine Impfung gegen den Nationalismus finden.
Interview: Volker Sievert
Das KRASS Kultur Crash Festival läuft vom 27. April bis 8. Mai.