Kristin Hersh
Sie erfindet ihre Songs nicht, sie schreibt nur auf, was sie hört – allein schon, um nicht vor lauter Gezeter ungeschriebener Lieber verrückt zu werden. Deswegen sind Kristin Hershs Songs nicht erklärbar, sondern einfach das, was sie sind: poetische Lieder zur Gitarre, aber mit Sarkasmus und Frechheit versetzt. Ihr neues Album „Strange Angels“ (4AD/Rough Trade) gehört, so einfach und unaufwendig es ist, zum Interessantesten, was in letzter Zeit aus sechs Saiten und einer Stimme gemacht wurde.
Kultur!News: Kristin, du bist samt Mann und drei Kindern in die kalifornische Wüste gezogen. Was dieser Rückzug der Grund, die Throwing Muses aufzulösen?
Kritin Hersh: Nein, das hatte rein wirtschaftliche Gründe. Es ist eine traurige Geschichte, selbst mit „University“, unserer erfolgreichste Platte, haben wir keinen Pfennig Gewinn gemacht. Uns wurde klar, daß wir so nicht weitermachen konnten, auch wenn wir die Vorstellung, Geld mit den Platten zu verdienen, längst aufgegeben hatten. Als Band, die sich zum Ziel gesetzt hatte, keine Hits zu haben, mußten wir wohl so enden. Immerhin haben wir es geschafft, unsere Linie zehn Jahre lang durchzuhalten. Wenn einer von uns in der Lotterie gewinnt, werden wir sofort wieder anfangen, gar keine Frage.
K!N: Ist es für dich ein leichteres Arbeiten als Solokünstlerin oder bist du schon auf der Suche nach einer neuen Band?
Kristin Hersh: Ich vermisse die E-Gitarren, ich liebe Rockbands. Es ist ein Tod gewesen, weil es sehr lange auch mein Lebensmittelpunkt gewesen ist. Aber ich bin teilweise drüber weg, auch wegen verschiedener Nebenprojekte. Ich habe aber noch nicht viel neuen Enthusiasmus entwickelt. Es wird dauern, bevor ich mich wieder ernsthaft an eine Band wage.
K!N: Ist die Umgebung für dich beim Schreiben wichtig? Produzierst du jetzt Wüstenlieder?
Kristin Hersh: Ich schreibe die meisten Songs gegen vier Uhr morgens in Hotelzimmern, also hoffe ich, daß die Umgebung keine direkten Auswirkungen hat. Sicher beeinflußt mein Leben die Songs irgendwie, denn sie sind ja auch persönlich. Persönlich als Gegenteil zu fiktional, aber nicht als Gegenteil zu universell. Ich denke, in ihnen teilt sich die Menschlichkeit mit, die der einzelne mit allen teilen kann.
K!N: Könnten deine Texte auch für sich stehen, ohne die Musik?
Kristin Hersh: Nein, weil ich mich nicht für eine sonderlich künstlerische Person halte, nicht wie ein Maler oder eine Tänzerin. Ich kann noch nicht einmal Romane lesen, denn ich denke immer: Das ist ja alles erfunden, ich werde auf jeder Seite belogen! Wissenschaft ist für mich ein Inspirationsquelle, der Rest ist Dada, Herumgespiele mit den elektronischen Geräten und Mathematik. Musik ist so unglaublich mathematisch.
Interview: Rolf von der Reith