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Künstler macht Kunst?

Ein mysteriöser Rapper aus dem Norden startet einen Fotowettbewerb und wir fragen uns: Was zur Hölle geht da eigentlich ab?
Frischer Wind aus dem Norden oder einfach nur ein bizarres Kunstprojekt mit Buzzword-Attitüde? Ein kurzer Blick auf einen ungewöhnlichen Wettbewerb bringt mehr Fragen als Antworten – und genau deshalb ist das Ganze so spannend.
Wenn der Kulturkanal SH – so etwas wie der feuilletonistische Puls Norddeutschlands – über einen Fotowettbewerb berichtet, dann erwartet man erstmal: Landschaften, Möwen, vielleicht ein Leuchtturm in dramatischem Gegenlicht. Der Wettbewerb Nachts in Schleswig-Holstein versprach genau das – ein Abbild der Nacht im nördlichsten Bundesland. Doch wer ein wenig tiefer gräbt, merkt schnell: Hier steckt mehr dahinter als bloß gute Fotos und norddeutsche Melancholie.
Denn die Köpfe hinter dem Projekt sind keine Fotografen, kein Verlag, kein Tourismusverband. Stattdessen: LIL, ein komplett unbekannter Rapper aus Schleswig-Holstein, und Mark Smith, ein Produzent, der sonst für Popgrößen wie Anastacia, Jeanette Biedermann und Johannes Oerding Beats schraubt. Das klingt erstmal absurd – Musiker, die einen Fotowettbewerb organisieren? Und ja, es wirkt zunächst wie eine dadaistische Randnotiz. Aber irgendetwas daran hat uns nicht losgelassen.
Eine kurze Pressemitteilung auf Kunstmelder.de bringt ein wenig Licht ins nordische Dunkel: LIL und Smith wollen laut eigenen Angaben „eine Fahrt durch das schleswig-holsteinische Hinterland“ in Musik übersetzen. Die über 1.000 eingesandten Fotos sollen jetzt in ein Musikvideo verwandelt werden – animiert von einem österreichischen Videokünstler namens Lawrenco, der nebenbei auch elektronische Musik macht. Das Ganze soll eine „traumhafte Reise durch die schleswig-holsteinische Nacht“ werden. Klingt schwülstig, ja – aber auch: ambitioniert. Vielleicht sogar ein bisschen visionär.
Was hier auffällt: Keine Labels, keine Promotion-Maschinerie, keine Streaming-Offensive. LIL scheint bewusst unter dem Radar zu fliegen. Keine Socials, keine Tracks auf Spotify, nur eine minimalistische Website (LILofficial.com), die ihn als „Rapper aus Schleswig-Holstein“ betitelt. Dort findet sich auch das bislang einzige Musikfragment: Ein 15-sekündiges Snippet eines Songs namens Ortskontrollfahrt (OKF) – anscheinend norddeutscher Slang für nächtliche Autofahrten ohne Ziel. Darin die Line: „Fahr mit den Homies OKF.“ That’s it.
Was bleibt, ist Spekulation. Ist LIL ein Künstler, der es ernst meint? Der sich dem üblichen Karrierespiel verweigert und stattdessen Kunst im klassischen Sinne macht – zweckfrei, kollaborativ, unkommerziell? Oder ist es ein clever inszenierter Hype? Fest steht: Wer als Rapper in Schleswig-Holstein seine Karriere startet, macht das nicht, weil er Mainstream sucht. Hier geht’s offensichtlich um etwas anderes.
Ob das Ergebnis dieser „traumhaften Reise“ am Ende überzeugt oder sich als kalkulierter Gag entpuppt, bleibt offen. Fest steht: Echte Kunst entsteht oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet – eventuell ja auf einer Landstraße irgendwo zwischen Kiel und Husum.