kulturnews – Die aktuelle Ausgabe
Themen im Juli: John Ajvide Lindqvist, Moby, Cigarettes After Sex, Joe Goddard, Cassandra Jenkins, Pashanim, Führer und Verführer, Zwei zu eins, Kinds of Kindness, Love lies bleeding, A Killer Romance, Rivka Galchen, Marlowe Granados, Stephen King, Szczepan Twardoch, David Joy, Don Winslow, Christoffer Carlsson , Kampnagel Sommerfest, Kunstfest Weimar, Ku’damm 56, Arne Semsrott
Vorsicht: Verführer!
Nach der Europawahl müssen wir uns fragen, wie es passieren konnte, dass auch so viele junge Wähler:innen die AfD gewählt haben. Die Angst ist groß, was da bei den Landtagswahlen im September noch folgen wird – und umso wichtiger ist es, jetzt nur nicht auf das viel zu einfache und einfach falsche Blockdenken „demokratischer Westen vs. böser Osten“ reinzufallen. Das zeigt nicht zuletzt auch der weitere Blick: In ganz Europa sind rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch. Populismus, Antisemitismus und der Angriff Russlands auf die Ukraine bestimmen die Situation. Da ist es natürlich alles andere als Zufall, dass diesen Monat „Führer und Verführer“ in die Kinos kommt. Regisseur Joachim A. Lang hat einen Historienfilm gedreht, der die Propagandamaschinerie im nationalsozialistischen Deutschland auseinandernimmt, indem er dokumentarisches Material mit nachgedrehten Szenen, aber verbürgten Dialogen abwechselt. Es ist ein Film gegen Verführung, der in Anbetracht von digitalen Medien und Fake News zeigt, wie modern die damalige Propaganda in ihrer manipulativen Wirkung gewesen ist. Und es ist ein Film mit einer Geheimwaffe: Robert Stadlobers grandiose Darstellung von Propagandaminister Goebbels. (Seite 32) Vielleicht musste Stadlober diese Rolle kompensieren: So erscheint in diesem Monat auch eine von ihm zusammengestellte Sammlung mit Texten von Kurt Tucholsky. (Seite 39) Hier hat er nach Hoffnung gesucht, und es ist sogar ein trotziges Lächeln dabei herausgesprungen: „Weil wir doch die Freude haben, über die kleinen Erfolge des sich vorbei Stehlens an sinnlose Grenzen und Verpflichtungen. Über die kurzen Momente der Genossenschaft, der Gemeinsamkeit gegen die herrschende Ordnung“, schreibt er im Vorwort. Stadlober hat gleich weitergemacht und die antifaschistischen Texte auch als Indiefolksongs vertont. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass er mit ihnen ausgerechnet im September auf Tour gehen wird.