Kung Fu
Hart, aber friedlich
Die geografische Basis von Kung Fu ist Hamburg, musikalisch aber heißt ihre Heimat Härte. Bestimmt auch im Interview.
Was hab’ ich nur erwartet – vier dissende HipHop-Fredis? Metal-Düster-männer, kampfsport-erprob–te Straßen-kämpfer? Jedenfalls ist die aus-ge-such-te Höflichkeit, mit der sich die Band Kung Fu für ihr Zu-spät-kommen entschuldigt, ziemlich umwerfend: „Hof-fentlich hast du nicht zu lange auf uns warten müssen“, charmieren sie. Hey, wo ist denn die martialische Groß-mäu-lig-keit, die zum Rock’n’Roll gehört wie der Joint zum Hippie? Und von asi-atischen Kriegskünsten scheinen die Herren, einst hervorgegangen aus Trümmer-stücken der Erfolgsband Selig, ebenso wenig zu verstehen wie ich vom Wollsockenstricken. Statt-des-sen sitzen sie da wie vier samtzüngige Lämmer und überbieten sich schier vor Liebens-wür-digkeit. Es drängt mich, das alberne Schauspiel zu be-en-den, ihnen die friedfertigen Masken furchtlos vom Gesicht zu reißen.
„Für mich“, provoziere ich keck, „seid ihr Trittbrettfahrer des NuMetal-Express’.“ Christian Neander, Gründer und Gitarrist, lächelt milde und be-klim-pert seelenruhig weiter die Gi-tarre. „Ich finde nicht“, belehrt er sanft, „dass du unsere Musik als Nu-Metal bezeichnen kannst. Jeder von uns hat andere musikalische Vor-lie-ben, du kannst uns nicht einfach auf einen Stil reduzieren.“
Ok, neuer Versuch. „Viele sagen“, hebe ich forsch an, „Kungfu wären Echt in hart. Macht euch das nicht wütend?“ Wieder dieser nachsichtige Blick. „Wieso? Sind doch nette Jungs, die von Echt. Der Vergleich stimmt zwar nicht – aber deswegen sind wir doch nicht gleich böse.“
Sollte die vermeintliche Maske etwa doch keine sein? Gibt es die Klischees denn nur in meinem Kopf und nicht in freier Wildbahn?
„Und dass man eure Texte für oberflächlich und platt hält, macht euch wohl auch nichts aus?“ Pause. Treffer! Treffer? Nein, statt des tosenden Sturms weht das nächste laue Lüftchen. „Es macht mich traurig, dass die Leute nicht mehr genauer hinhören“, seufzt Sänger Jan Lafazanoglu mit seidenweicher Stimme, „denn in mei-nen Worten steckt echt viel Herz-blut.“
Okay, ich gebe auf, verabschiede mich geschlagen – und lege mir zu Hause noch mal das knackige Album „Kung Fu“ auf: Gitarrenbreitseiten, trockene Drums, Metalmagie.
Nette Jungs. ECHT.
Karsten Witthoefft/Matthias Wagner