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Lauren Beukes: Zoo City

Es braucht nur wenige Seiten dieses Buches, bis man gänzlich in eine Welt eingetaucht ist, von der zweierlei umgehend deutlich wird: Erstens ist niemand freiwillig hier. Und zweitens möchte man sich nicht mehr lossagen. Der Johannesburger Slum, in dem Zinzi Decembers siffige Behausung gelegen ist, könnte der Realgegenwart entsprechen – wenn Lauren Beukes’ Romanwelt nicht von sensationslos inszenierter Magie durchsetzt wäre. Von Magie und lähmender Trostlosigkeit.

Zinzi, die einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit damit verbringt, ihre Schulden beim zwielichtigen Vuyo abzugelten, indem sie in seinem Auftrag Menschen via Scam-Mails um ihr Geld bringt, zählt zu den sogenannten Getierten. So werden Menschen genannt, die seit einem schweren Verbrechen auf mystische Weise mit einem animalischen Konterpart verbunden sind, von dem sich zu entfernen ihnen unsagbare Qualen bereiten würde. Also ist Zinzis einziger ständiger Begleiter ein Faultier, das sie versteht und ihre Schmerzen empfindet. Überdies zeichnen die Getierten sich durch die unterschiedlichsten übernatürlichen Fähigkeiten aus.

Zinzis Fähigkeit, Verbindung zu verlorenen Dingen aufzunehmen, ist es, die ihr einen lukrativen Auftrag einbringt: Sie soll eine vermisste Person ausfindig machen. Die Chance, Vuyo und dem Slum ein für alle Mal den Rücken zu kehren, mündet allerdings in einer Angelegenheit, die Zinzis Alltag zwischen Crackjunkies und Morden in der Nachbarschaft regelrecht öde erscheinen lässt.

So gut es Beukes gelingt, ihr zwischenweltliches Johannesburg mit aktuellen Referenzen wie Lady Gaga und iPhones beklemmend diesseitig zu machen: Sie übertreibt und nimmt sich damit selbst die Schlagkraft. Beukes wirkt so bemüht, in derber Sprache das omnipräsente Elend festzuhalten, dass sie zuweilen in ein schnell ermüdendes Gossenpathos abdriftet.

Hinzu kommt, dass ihre Figurenzeichnung recht oberflächlich bleibt, so dass die finale Zuspitzung des Plots beinahe wie ein Ablenkungsmanöver erscheint. Während sich „Zoo City“ zunächst liest wie eine düster flimmernde Gesellschaftsbetrachtung, halb surreal eingekleidete Dystopie, halb bittere Realität, nimmt Beukes’ Roman im späteren Verlauf krimi- bis thrillerhafte Züge an, was aufgrund fehlender Dichte mehr schlecht als recht funktioniert. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil Beukes’ schroff-nüchterne Zustandsbeschreibungen eindrucksvoll genug wären, um für sich zu stehen. (lan)

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