Zum Inhalt springen

Lavinia Wilson

Lavinia, wie lässt sich persönliche Freiheit mit Liebe vereinbaren?

Müssen wir da nicht erstmal Freiheit definieren? (lacht)

Hat man das mit einem Philosophiestudium nicht schon hinter sich?

Nee, da bin ich noch zu keiner Lösung gelangt. Für mich persönlich kann ich Freiheit und Liebe sehr gut vereinbaren, wenn ich Freiheit als Möglichkeit definiere, das zu entschieden, was ich möchte. Dafür muss ich mich natürlich der Illusion anheim geben, dass ich frei entscheiden kann. Davon gehe ich einfach mal aus, weil sich so das Leben besser leben lässt. Ich glaube, Liebe und persönliche Freiheit sind überhaupt keine Gegensätze, zumindest geht das mir so. Ich bin seit viereinhalb Jahren in einer Beziehung, und ich fühle mich sehr frei. Und auch wenn das Selbstbetrug sein sollte, ist das okay, solange ich damit glücklich leben kann.

Mit deinem Freund, dem Schauspieler Barnaby Metschurat, bist du zusammengekommen, nachdem er im Film „Julietta“ deinen Vergewaltiger gespielt hatte. Sowohl eure Filmrollen als auch ihr selbst habt euch trotzdem ineinander verliebt. Das wirkt nach außen hin reichlich schräg.

Ja, so kann’s gehen. (lacht) Embrace the paradox!

Wie viel kann man in der Liebe verzeihen?

Das wird sich zeigen, wenn ich mal was zu verzeihen habe. Wenn man weiß, dass auf der anderen Seite noch Liebe da ist, kann man ne Menge verzeihen. Wenn aber Sachen passieren, weil der andere einen nicht mehr liebt, dann braucht man gar nichts verzeihen. Dann sollte man lieber früher als später den Schlussstrich ziehen, um sich vor Verletzungen zu schützen.

Verletzungen kann man aber doch nie ausschließen.

Aber da gibt’s diese wunderbare Institution der Psyche, dass man sich ganz toll selbst belügen kann. Man kann solange sagen, dass es einem nicht schlecht geht, obwohl es einem schlecht geht, bis es einem wirklich nicht mehr schlecht geht. Und wie gesagt, in der Liebe, die ich jetzt habe, musste ich bisher noch nichts verzeihen, worüber ich mich echt jeden Tag freuen sollte. Man nimmt es dann auch irgendwann so hin, das alles gut ist.

Glaubst du an das Konzept der großen Liebe?

Jaaaa!

Daran hat auch dein Philosophiestudium nichts ändern können?

Nein. (lacht) Wobei das Studium noch lange nicht abgeschlossen ist. Aber das ist ja das Paradoxon der Liebe, dass sie nur da ist, wenn man jeden Tag sagt: für immer! Obwohl ich heutzutage ja eigentlich weiß, dass es nicht für immer ist, womit wir auch wieder bei dem unglaublich fruchtbaren Selbstbetrug wären. Wenn ich jeden Tag sagen würde: Ich liebe dich jetzt, aber vielleicht in drei Jahren nicht mehr – was wäre denn das für eine Liebe?

Eine realistische?

Also, was den Beruf und den Rest vom Leben angeht, wird mir immer wieder gesagt, dass ich eine Realistin bin, aber gerade im Bezug auf die Liebe wehre ich mich ganz vehement dagegen, da bin ich völlig irrational. Meine Liebe ist ja sehr real, nicht unrealistisch. Aber der Mensch ist nun mal zu 80 Prozent irrational. Die ganze Idee der Ratio ist wunderschön, sie funktioniert nur nicht.

Also entstehen Beziehungen aus Zufall, Unvernunft und kurzzeitig überwundenen Ängsten?

Aus Zufall oder Schicksal?

An das Schicksal zu glauben, macht das Leben jedenfalls schöner.

Das mag schon sein, aber man muss ja auch ein bisschen was dafür tun. Es gibt Menschen, die sind Beziehungsmenschen. So einer bin ich. Und es gibt Menschen, die sind keine Beziehungsmenschen. Die fragen mich: Lavinia, wie machst du das? Und ich sage: keine Ahnung. Ich bin so, wie ich bin. Solange keiner böse zu mir ist, bin ich pflegeleicht, und alles ist gut.

Interview: Ralf Krämer

Beitrag teilen: