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„Liebes Kind“: Auf die Befreiung folgt der Horror

Liebes Kind Netflix
Was ist Glück? Das ist Glück. Sammy Schrein als Jonathan und Naila Schuberth als Hannah in den Armen ihrer Mutter. Die Serie „Liebes Kind“ läuft jetzt auf Netflix. (Foto. Courtesy of Netflix 2023)

Auf Netflix startet mit „Liebes Kind“ eine Serie, die weitaus mehr ist als nur ein Psychothriller. Regie und Drehbuch: Isabel Kleefeld. In den Hauptrollen glänzen Hans Löw, Haley Louise Jones und Justus von Dohnányi.

„Liebes Kind“: Deutsche Psychothrillerserie auf Netflix

Mitten in der Nacht wird Lena auf einer einsamen Straße von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Der Fahrer begeht Fahrerflucht, ruft aber vorher noch den Rettungswagen. Neben Lena: ihre Tochter Hannah. Die Serie „Liebes Kind“ startet jetzt auf Netflix.

Schnell wird klar – auch durch Rückblenden –, dass Lena und Hannah auf der Flucht waren, denn sie waren seit Jahren in einer abgedunkelten Wohnung eingesperrt. Überwacht von Videokameras, gedrillt von ihrem Entführer, der sie mit sadistisch-starren Regeln überzog, die vor allem die Kinder (Jonathen ist Hannahs jüngerer Bruder und noch immer in der Wohnung) längst verinnerlicht haben. Wenn eine Person den Raum betritt, zeigt Hannah zuerst die Handinnenflächen vor und dann die Handrücken: Nirgendwo darf sich der geringste Schmutz befinden, sonst folgt die Strafe. „Liebes Kind“ ist auch eine Thrillerserie über die Macht von Erwachsenen über Kinder und als Folge daraus die Macht von Kindern über Erwachsene, wenn sie empathielos, aber logisch die ihnen gegenüber ausgesprochenen Befehle befolgen.

Isabel Kleefeld („Ruhm“) schrieb das Drehbuch und führte Regie, die Vorlage zur Thrillerserie, die aus einer Grundtrauer heraus ihre Spannung generiert, war der gleichnamige Roman von Romy Hausmann. Zu dieser Stimmung trug nicht zuletzt Gustavo Santaolalla mit seiner Musik bei. Santaolalla ist zweifacher Oscarpreisträger – für die Musik zu den Filmen „Brokeback Mountain“ und „Babel“. Kim Riedle („Meine Freundin Volker“) spielt die traumatisierte und selbst nach ihrer Flucht unter dem Einfluss ihres Peinigers stehende Lena, während Hannah und Jonathan auf beängstigende Weise von Naila Schuberth und Sammy Schrein gespielt werden. Das Kindercasting für „Liebes Kind“ ist überaus gelungen.

Die wahre Geschichte der Serie beginnt aber erst im Krankenhaus, als Lenas Eltern dort eintreffen und aussagen, dass Lena nicht Lena ist. Gleichzeitig gibt Hannah zu Protokoll, dass sie ihren Opa erkannt habe, sie sei mit ihm auch schon im Urlaub gewesen. Für die Kriminalpolizei wird die Sache immer verworrener. Bald schon ermitteln die von Haley Louise Jones gespielten Kommissarin und einem persönlich in den Fall involvierten LKA-Beamten gleich zwei Menschen mit einer Intensität an dem Fall, dass ihnen selbst eine berufliche Degradierung völlig egal ist. Vor allem der von Hans Löw („Wir sind dann wohl die Angehörigen“) in seiner völligen Gebrochenheit hervorragen sensibel gespielte LKA-Beamte bringt eine Tragik in die Serie, die den Psychothriller auf eine völlig neue Ebene hebt. Lenas vermeintlicher Großvater aber, ebenfalls subtil-gebrochen gespielt von Justus von Dohnányi („Der Nachname“) und gleichzeitig manipulativ, rücksichtslos und erst recht geheimnisvoll, bringt die Option von Twists in die Serie, die nach Sichtung von drei der sechs Folgen noch nicht im Ansatz erahnt werden können.

 

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