Lifehouse
Jason Wade kennt die Höhen und Tiefen des Lebens, und er weiß, wie er damit fertig wird. Weil er Sänger der Band Lifehouse ist, schlägt soviel Lebensweisheit auch auf die Musik durch. Und zwar voll.
_ulysses: Jason, warum treffen wir uns eigentlich im Konferenzzimmer eurer Plattenfirma?
Jason Wade: Warum nicht?
_ulysses: Weil einer Erfolgsband wie euch eigentlich ein Nobelhotel zustehen würde.
Wade: Luxus interessiert uns nicht. Im Übrigen muss ich dich enttäuschen: Obwohl unser Debüt „No Name Face“ recht erfolgreich war, sind wir nicht superreich. Heute können wir am Monatsende problemlos Miete und Rechnungen bezahlen. Und weil wir uns nicht mehr den Kopf über unsere Finanzen zerbrechen müssen, können wir uns ganz auf unsere Musik konzentrieren.
_ulysses: Klingt „Stanley Climbfall“ deshalb positiver als euer Debüt?
Wade: Auf „No Name Face“ beschrieb ich die Probleme, die ich als Teenager hatte. Jetzt bin ich erwachsen geworden. Ich weiß, dass mein Leben nur besser werden kann, wenn ich selbst dafür kämpfe.
_ulysses: Sind die meisten Menschen zu passiv?
Wade: Ja. Ihre fatalistische Haltung wird auch noch durch zahlreiche Songs unterstützt. Einige Musiker zelebrieren geradezu ihre Depressionen –getreu dem Motto: „Das Leben ist so schrecklich.“ Das finde ich verantwortungslos! Wie soll sich jemand, der solche Musik hört, aus einem persönlichen Tief befreien können?
_ulysses: Wie machst du denn den Fans Mut?
Wade: Ich gaukele ihnen keine schöne heile Welt vor. Trotzdem zeige ich mit Liedern wie „Spin“, dass auch schlimme Ereignisse etwas Positives haben können. Eine schlechte Phase kann dir sehr viel Energie geben. Du musst nur immer weiter vorwärts gehen und optimistisch in die Zukunft gucken.
_ulysses: Jetzt klingst du wie ein Prediger.
Wade: Ich bin ein religiöser Mensch. In all meinen Songs reflektiere ich mein Verhältnis zu Gott. Wie „Anchor“ beweist, ist er der Anker meines Lebens. Dennoch steht es jedem frei, dieses Stück als normales Liebeslied zu interpretieren. Ich will mit meiner Musik niemanden zum Christentum bekehren.
_ulysses: Wer „Sky is falling“ hört, glaubt sowieso nicht, wir hätten den Himmel auf Erden.
Wade: Dieser Titel kritisiert die Ignoranz vieler Leute. Wenn du den Fernseher anschaltest, siehst du: Seit dem 11. September stecken wir in einer Krise. Wer weiß, vielleicht wird Amerika bald einen Krieg gegen den Irak führen. All das interessiert die Reichen in Los Angeles aber nicht. Sie verdrängen die Miseren dieser Welt, solange sie nicht unmittelbar betroffen sind. Das ärgert mich!
_ulysses: Worte eines Weltverbesserers.
Wade: Nein. Aber als ich als Junge einige Zeit in Hongkong lebte, sah ich viele Arme. Ich begriff: Reichtum ist keineswegs selbstverständlich. Deshalb bin ich immer wieder fassungslos, wenn in Amerika Kinder ausflippen, weil sie ein Spielzeug nicht bekommen.
_ulysses: Dass ein Rockmusiker so solide wie du ist, verblüfft mich trotzdem.
Wade: Wieso? Dieses alte Klischee von sex and drugs and rock’n’roll leben heute nur noch Bands, die in den 70er Jahren ihre große Zeit hatten. Wir mögen keine wilden Partys. Werglücklich verheiratet ist, braucht keine Groupies. Wie ich.
Interview: Dagmar Leischow