Same same but different: „Little Death Wishes“ von CocoRosie

CocoRosie sind in ihrer Unvorhersehbarkeit schon fast vorhersehbar — und genau deshalb ist das Duo nach 21 Jahren heute so aufregend wie eh und je.
Was ist das beste Zeichen dafür, dass man als Künstler:in auch nach einer jahrzehntelangen Karriere immer noch nicht ausgedient hat? Wenn man einen Song schreiben kann wie „Cut Stitch Scar“ vom achten Album des US-amerikanischen Duos CocoRosie. Denn was fasst die Karriere der Schwestern Sierra und Bianca Casady besser zusammen als diese flehende Coda: „Take a leap of faith/There may not be a hand for you/Take a leap of faith/There may not be a plan for you“. So etabliert wie CocoRosie mittlerweile sind, so unvorhersehbar und neugierig ist das Duo auch geblieben. Von Folk und Electronica über Querverweise aus HipHop, Pop, Blues und klassischer Musik haben Sierra und Bianca Casady bislang noch vor keiner Abbiegung haltgemacht.
Natürlich kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass ein CocoRosie-Album trotz aller Abenteuerlichkeit nach CocoRosie klingt. Es gibt vertraute Haltegriffe für Fans: Das charaktervolle Tremolo, das die Stimmen beider Schwestern prägt (wunderschön direkt im Opener „Wait for me“). Die Songs, die mal zärtlich um Beziehungen („Paper Boat“) und mal kraft- und humorvoll um Identität („Girl in Town“) kreisen — und um das Spannungsfeld der Welt, in dem sie sich bewegen.
Und doch – so vertraut diese Formel auch auf „Little Death Wishes“ klingt, so grundsätzlich anders ist der kreative Ansatz der Schwestern dieses Mal gewesen: Im Gegensatz zum bisherigen Schaffen der Band hat für „Little Death Wishes“ Sierra den Hauptteil der Texte geschrieben und die Beats gebaut, für die sonst ihre Schwester Bianca zuständig gewesen ist.
Das Ergebnis? Ein Album, das so quintessenziell CocoRosie ist wie alles, was davor kam – und doch ganz und gar einzigartig, und zwar eben nicht nur in der Diskografie des Duos, sondern überhaupt. So vital, neugierig und aufregend, als wäre es das Debüt einer ganz neuen Band. Das also, was dabei herauskommt, wenn man als Band den Sprung ins Ungewisse zum Leitprinzip erhebt.