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Lorien

Wer „Herr der Ringe“ kennt, weiß es: Lorien ist ein mystischer Wald. Und der magische Emorock des italienisch-isländisch-britischen Trios Lorien hält, was der Bandname verspricht.

Fabio fröstelt. Obwohl draußen die Sonne scheint, kuschelt sich der Sänger und Gitarrist auf der Couch des Londoner Studios in eine dicke Daunenjacke. Dass der blasse junge Mann gebürtiger Italiener ist, mag man auf den ersten Blick nicht glauben. Der introvertierte Musiker spricht leise, keine Spur von südländischer Fröhlichkeit. Und seine Songs wirken ebenso fragil wie er selbst.

Wenn Fabio mit engelhafter Melancholie Liebe und Leid besingt, wird’s uns ganz my-stisch ums Herz. Nein? Der Wahl-Londoner guckt irritiert. Mit dieser Beschreibung ist er nicht zufrieden. Trauer, behauptet Fabio, sei nicht die treibende Kraft seiner Musik: „Ich bin kein Schwarzseher. Zumindest ein Fünk-chen Hoffnung steckt in jedem meiner Lieder.“

In „Planet New Earth“ etwa sinniert er über eine bessere Welt: „Wir müssen uns keine neue Erde suchen. Es reicht, wenn jeder zu sich selbst steht. Du darfst dich nicht von der Meinung anderer abhängig machen.“

Ob Fabio diesem Credo stets gerecht wird? Jein: „Ich bin oftmals zu paranoid.“ Nur be-ruflich geht er stets seinen eigenen Weg. Weil ihn sein Wirtschaftsstudium nicht gerade be-glückte, verließ er die Uni und zog nach Lon-don. Dort lernte er 1998 den isländischen Mul-ti-Instrumentalisten Einar und den englischen Drummer Carlo kennen. Gemeinsam gründeten sie Lorien, komponierten betörend schöne Songs, die an Radiohead und Coldplay erin-nern.

Carlo stöhnt. Oh, wie er die ewigen Verglei-che hasst! „Als wir an unserem Album arbei-teten, kannten wir Coldplay noch gar nicht. Die kamen erst groß raus, als unsere Stücke schon abgemischt waren.“

Das wäre also geklärt. Zurück zu Fabios Tex-ten. Im düsteren „All Time“ scheint er einen Lebensmüden zu besingen. „Empfindest du das so?“ erkundigt er sich besorgt. „Eigentlich wollte ich nur das beschreiben, was ich in meiner Umgebung sehe.“

Seine Antwort bleibt ebenso rätselhaft wie der Titel. Macht nichts: Fabio hat halt keine Lust, seiner Stücke zu analysieren. „Unsere Fans sollen ihre eigenen Interpretationen su-chen. In meinen Liedern stecken keine allge-meingültigen Wahrheiten.“

Nun hat das scheue Kerlchen genug von den bohrenden Fragen. „Sagt auch mal was“, er-muntert er die Kollegen und zupft verlegen an einer Haarsträhne. Wie gesagt, Fabio ist für einen Südeuropäer eher wortkarg. „Komm’ uns nicht mit diesen Vorurteilen“, verteidigt ihn Einar. „Auch in Italien gibt’s nicht nur ex-trovertierte Menschen.“

Ihm selbst wenigstens sind Hemmungen fremd. Als Lorien ihr Demo aufgenommen hat-ten, bestückte er Label-Bosse und Radio-DJs persönlich mit Kopien. „Na und?“ wehrt er ab. „Aus Island bin ich es gewohnt, mich selbst zu promoten. Daran halte ich auch in London fest.“ Hartnäckigkeit und magische Musik – damit dürften Loriens Träume wahr werden.

Dagmar Leischow

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