Los Lobos: Stadtstreicher
Jeder kennt den Überhit der Kalifornier. Doch ihr neues Album „Native Sons“ beweist erneut, dass Los Lobos neben „La Bamba“ noch so viel mehr zu bieten haben.
Louie Pérez, zusammen mit David Hidalgo singender und Gitarre spielender Co-Frontmann von Los Lobos, bringt die Dinge knackig auf den Punkt. „Außer den Native Americans hat niemand von uns seine Wurzeln auf diesem Kontinent. Wir Amerikaner stammen von überall her, und doch eint es uns, dass wir uns als Amerikaner definieren.“ Pérez und Hidalgo sind, wie auch zwei ihrer drei Bandkollegen, mexikanischer Abstammung. „Die Tatsache, dass wir alle zusammengehören, aus den Augen zu verlieren, sie sogar aktiv zu missachten und Keile zwischen uns zu treiben, so wie es unsere vormalige Regierung versucht hat, ist grundfalsch und geradezu obszön. Wenn du uns alle in unsere Ursprungsländer zurückschicken würdest, wäre hier fast niemand mehr übrig.“
Los Lobos sind nicht per se eine politische Band. Die vor fast 50 Jahren von den Schulfreunden Hidalgo und Pérez in East Los Angeles gegründete Band war zunächst auf Partys und Hochzeiten aktiv und ist seit dem weltweiten Nummer-Eins-Hit mit ihrer Version von Richie Valens‘ „La Bamba“ aus dem gleichnamigem Biopic auch bei uns wohlbekannt. Doch Herkunft, Werdegang, Musik und das ausgedehnte Herumkommen in der ganzen Welt macht die fünf Männer, die zwischen 65 und 70 Jahre alt sind, zu leidenschaftlichen Streitern für die Multikultur. „Im Mittelpunkt unseres gesamten Schaffens steht es, die Menschen einander näher zu bringen statt sie zu entzweien.“ Auch auf dem neuen, mittlerweile 17. Album „Native Sons“ trifft die Band den gesellschaftspolitischen Ton mit ihrer Neuaufnahme von Buffalo Springfields Klassiker „For what it’s worth“, den Stephen Stills 1966 unter dem Eindruck der damaligen Auseinandersetzungen zwischen jungen Feiernden und der Polizei auf den Sunset Strip in Hollywood geschrieben hat. „Buffalo Springfield bedeutet uns so viel, dass wir auch gleich noch den Song ,Bluebird’ von ihnen mitaufgenommen haben“, schwärmt Pérez.
„Native Sons“ ist ein Konzeptalbum. Alle Songs bis auf das selbstgeschriebene Titelstück sind Coverversionen von Liedern anderer L.A.-Bands und Musiker. Alle eint, dass sie den Sound von Los Lobos, diesen furiosen und hochversierten Mix aus Rock’n’Roll und R&B, Surfmusik und Soul, Mariachi und Música Norteña, Punkrock, Jazz und Country, maßgeblich mitgeprägt haben. Ob es um den narrativ-zurückgelehnten Folk eines Jackson Browne („Jamaica say you will“), den dampfenden Funk von WAR („The World is a Ghetto“) oder den Blues-Rockabilly der Blasters („Flat top Joint“) handelt, deren Saxophonist Steve Berlin heute bei Los Lobos spielt – das Quintett verpasst den oft partynahen, zünftigen Neuinterpretationen durchweg die unverwechselbare Los-Lobos-DNA. „Dieses Album ist unser Liebesbrief an die Stadt, die uns geprägt hat, und an die Musiker, ohne die wir heute so nicht hier wären“, resümiert Pérez. „Selbst, wenn es morgen mit uns vorbei wäre, werden wir immer mit einem breiten Lächeln auf unser Vermächtnis und auf das wertvolle Erbe derer, die vor uns kamen, zurückblicken können.“