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Marcus Weinberg (CDU): Altersvorsorgepflicht für alle Selbständigen

Marcus Weinberg
Marcus Weinberg, CDU/CSU, Bundestagsabgeordneter, Abgeordneter, Mitglied Deutscher Bundestag, MdB, Rede, 8. Sitzung, Top 19, Thema: Altersfeststellung minderjähriger Flüchtlinge. Rednerpult. (Foto: Bundestag/Achim Melde)

Marcus Weinberg kommt aus Hamburg-Altona und ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Weinberg ist Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und seit 2014 familienpolitischer Sprecher der CDU.

Marcus Weinberg, der Kulturbegriff im Diskurs um kulturpolitische Entscheidungen ist bei weitem nicht umfassend genug. Das hat sich während der eineinhalb Jahre deutlich gezeigt, die von Covid-19 gezeichnet waren. Wie stehen Sie zu einer Erweiterung des Kulturbegriffs bei der staatlichen Förderung?

Marcus Weinberg: Die staatliche Kulturförderung ist nicht abhängig von einem bestimmten Kulturbegriff. Es steht dem Staat gar nicht zu, zu definieren, was Kultur ist und was nicht. Laut Grundgesetz sind in erster Linie die Länder und Kommunen für die Kulturpolitik zuständig, aber auch der Bund hat eine besondere Verantwortung zum Erhalt unserer kulturellen Vielfalt und ist dieser in der unionsgeführten Bundesregierung auch gerecht geworden. In den letzten zehn Jahren hat sich der Bundeskulturhaushalt auf inzwischen über 2,1 Milliarden Euro verdoppelt. Noch nie ist soviel Geld in die staatliche Kulturförderung geflossen. Gerade in diesen Zeiten des Umbruchs bekräftigen wir mit einem Rekordetat unsere gemeinsame Entschlossenheit, die kulturelle Infrastruktur in ganz Deutschland zu bewahren und weiter auszubauen.

Vom Puppentheater über Kinos und Musicalhäusern bis hin zu Konzertarenen müssen alle Kulturveranstalter strukturelle Förderungen erfahren, um Krisen wie den Lockdown bestehen zu können. Vor allem aber auch die Kleinstunternehmen, die den unverzichtbaren kreativen und technischen Support organisieren, müssen strukturell abgesichert sein.

Weinberg: Die Corona-Pandemie hat die Kultur leider besonders hart getroffen. Die Union hat sich von Beginn an dafür eingesetzt, dass die Kulturveranstalter in größtmöglicher Form von den Coronahilfen der Bundesregierung profitieren. Das Bundeskulturressort war das einzige Ressort, das mit „Neustart Kultur“ ein eigenes Förderprogramm bekommen hat. Damit stehen zwei Milliarden Euro für das Überleben der Kultur vor allem auch im nichtöffentlichen und ehrenamtlichen Bereich zur Verfügung. Mit dem Sonderfonds für Kulturveranstaltungen stehen zusätzlich noch 2,5 Milliarden Euro an Hilfsgeldern für Kulturveranstalter zur Verfügung. Zusätzlich haben wir mit der Gutscheinlösung, dem Soforthilfeprogramm, Ausfallhonoraren und der Novemberhilfe auf die dramatische Situation der Kulturschaffenden reagiert. Das ist nicht nur eine Anerkennung für die außergewöhnliche Belastung, die wir der Kulturbranche zumuten, sondern auch eine Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Die Hauptaufgabe in den nächsten Monaten und auch in der nächsten Legislaturperiode wird es sein, weiterhin mit aller Kraft die Pandemieauswirkungen für den Kulturbereich zu lindern und zu überwinden.

Noch immer können keine Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen stattfinden. Was werden Sie unternehmen, damit Großveranstaltungen wieder möglich sind?

Weinberg: Die Kulturschaffenden haben mit bewundernswerter Kreativität und Flexibilität auf die Pandemie reagiert und überzeugende Konzepte mit Sicherheits- und Hygienemaßnahmen entwickelt. Das sollte honoriert werden. Es gibt erste Lichtblicke, in einigen Ländern sind Großveranstaltungen wieder erlaubt. In Berlin konnte im Juli die Berlinale im Open-Air-Format stattfinden, Kinos und Museen sind wieder offen, auch Festivals wie z.B. „Rocken am Brocken“ oder das „3000 Grad Festival“ waren möglich. Die Kulturstiftung des Bundes hat im Frühjahr 2021 zudem kurzfristig das Förderprogramm „Kultursommer 2021“ in Höhe von 30,5 Mio. Euro ausgelobt, um in diesem Sommer wieder Veranstaltungen und kulturelles Leben unter Berücksichtigung der geltenden Corona- Schutzverordnungen zu ermöglichen. Mit dem Sonderfonds Kultur unterstützen wir mit 2,5 Milliarden Euro die Wiederaufnahme und die Planbarkeit von Kulturveranstaltungen mit bis zu 2000 Personen und geben eine Ausfallabsicherung für Veranstaltungen mit über 2000 Personen.

Wie wollen Sie dies vertragssicher gewährleisten?

Weinberg: In einer Pandemie hat der Gesundheitsschutz der Menschen in allen Bereichen oberste Priorität, Garantien sind dabei die falsche Kategorie. Mit dem Sonderfonds Kultur leisten wir aber für den Fall der Absage oder der Verschiebung der Veranstaltung einen finanziellen Ausgleich und wollen damit das kulturelle Leben wieder lebendig machen.

Werden Instrumente eine Rolle spielen wie die Entscheidung, nur noch doppelt Geimpfte bei Veranstaltungen zuzulassen? Welche alternativen Instrumente sind angedacht? Werden Entscheidungen eine Rolle spielen wie etwa ein Beschluss, wonach bei einer bestimmten Impfquote die Inzidenz keine Rolle mehr spielt bei der Durchführung von Großveranstaltungen?

Weinberg: Diese Debatte ist aktuell noch im Gange, eine politische Mehrheitsentscheidung ist noch nicht getroffen. Den Inzidenzwert völlig außeracht zu lassen halte ich aber in der aktuellen Lage mit der Delta-Variante für schwierig. Zugleich finde ich es zumutbar, wenn eine ungeimpfte Person für einen Konzertbesuch einen PCR-Test machen muss.

Was wollen Sie unternehmen, damit die öffentlich-rechtlichen Sender in ihren Hauptkanälen in Zukunft ein breit gefächertes Kulturprogramm anbieten, das vor allem freischaffende darstellende Kunst, Musik aller Genres, Theateraufführungen und Tanz unabhängiger Bühnen und vieles mehr ins Programm bringen und über die Vergütung eine Kulturförderung etablieren, die nicht nur in Zeiten von Covid-19 dringend nötig ist? Was wollen Sie tun, damit der kulturelle Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender neu und deutlicher formuliert und dieser Auftrag dann auch wirklich umgesetzt wird?

Weinberg: Um eines vorwegzuschicken: Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht am 26. September nicht zur Wahl. Denn Rundfunkpolitik ist in Deutschland ausschließlich Ländersache, der Deutsche Bundestag hat hier keine Zuständigkeiten. Die Rundfunkkommission der Länder bereitet derzeit bereits eine Änderung des Medienstaatsvertrags vor, mit der Auftrag und Struktur von ARD, ZDF und Deutschlandradio reformiert werden sollen. Dadurch soll der Fokus auf den ureigenen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen, Kultur, Bildung und Information, gestärkt werden. Die Umsetzung durch die Anstalten wird von deren Aufsichtsgremien, den Rundfunk- und Fernsehräten, kontrolliert. In diesen Gremien dürfen nach einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts wegen der Staatsferne der Medien höchstens zu einem Drittel Politiker vertreten sein.
Der Kulturauftrag von ARD und ZDF verpflichtet diese, auch zur kulturellen Vielfalt in Deutschland beizutragen. Dazu sind auch kulturelle Eigenproduktionen notwendig. Gerade in Zeiten starker Belastungen der privaten Haushalte gehört die Etablierung einer eigenen Kulturförderung aber nicht zum Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Die Systemrelevanz von Kultur – ihre grundlegende Bedeutung für Mensch und Gesellschaft – ist offensichtlich, was nicht zuletzt in den vergangenen eineinhalb Jahren schmerzlich sichtbar wurde. Wie lässt sich diese gesellschaftliche Notwendigkeit von Kultur aus allen Bereichen umwandeln in eine faktische materielle Absicherung? Wie soll eine materielle Absicherung ausgestaltet werden?

Weinberg: Eine wichtige Lehre aus der Pandemie betrifft die prekäre Situation vieler Künstlerinnen und Künstler. Viele von ihnen leben in sehr bescheidenen Verhältnissen und können kaum fürs Alter vorsorgen und Reserven aufbauen. Wir wollen daher die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern dauerhaft stärken, und mehr Bereitschaft für kreative Leistungen im Netz angemessen bezahlen und dafür neue Geschäftsmodelle akzeptieren. Das bedeutet für die Union, dass wir etwas dafür tun müssen, dass Künstlerinnen, Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben können.
Mit Blick auf die Situation der in der Kreativwirtschaft beschäftigten Menschen wird die CDU dafür sorgen, dass Kreative besser als bisher zukunftsfest abgesichert sind und die Schaffung neuer Instrumente im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme zur Existenzsicherung von Künstlerinnen und Künstlern prüfen.
In Bezug auf die Altersvorsorge wollen wir Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einführen, die nicht bereits anderweitig abgesichert sind. Dabei sollen Selbstständige zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen insolvenzsicheren und zugriffsgeschützten Vorsorgearten wählen können. Wir werden Lösungen entwickeln, die auf bereits heute selbstständig Tätige Rücksicht nehmen und Selbstständige in der Existenzgründungsphase nicht überfordern.

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