Mark Roberts: Totenprediger
Eine Agentin, die in einer Mordserie ermittelt und dafür mit einem charismatischen, aber undurchsichtigen Psychopathen verhandeln muss, der als einziger den Schlüssel zur Lösung des Rätsels zu kennen scheint: Die Grundsituation in Mark Roberts’ Thriller „Totenprediger“ erinnert an „Das Schweigen der Lämmer“. Doch findet Roberts zu einem eigenen Tonfall. Während sich in einer nach außen hin friedlichen Liverpooler Vorstadt bedächtig eine Schneedecke auf die Dächer der Einfamilienhäuser legt, geschieht in einem von ihnen ein schreckliches Verbrechen: Eine ganze Familie wird hingerichtet, die Leichen zu kryptischen Symbolen angeordnet. Polizistin Eve Clay soll den Fall übernehmen. Immer tiefer muss sie in die Abgründe religiösen Wahns eintauchen, zugleich wächst die Angst um die Sicherheit der eigenen Familie – denn die Taten sind offenbar an sie persönlich adressiert … Jede Seite ist mit Informationen gefüllt, die wenige Zeilen später schon wieder obsolet sein können. Der Leser weiß immer nur so viel wie das Ermittlungsteam, das im Minutentakt mit neuen Enthüllungen und Wendungen konfrontiert wird, die sogleich zu neuen Spuren führen, die ihrerseits neue Fährten freilegen. Es ist ein sich ständig verschiebendes Labyrinth, das immer dann, wenn der darin Gefangene dem Ausgang ganz nah ist, seine Position verändert. Die Kapiteleinteilung erfolgt in Zeitabschnitten, was die Abgeschlagenheit der Profiler verdeutlicht, die sich Tage und Nächte um die Ohren schlagen müssen: Jederzeit könnte der nächste Zugriff geschehen. So wird die Jagd auf die Täter, die sich in kaum dechiffrierbaren Schnalzlauten und abgehackten Silben verständigen, auch zu einem steten Kampf gegen das Verrinnen der Zeit. Alles scheint im Zusammenhang mit dem selbsternannten „Totenprediger“ Adrian White zu stehen, der in einer geschlossenen Anstalt einsitzt, seit Eve ihn vor Jahren des zwölffachen Mordes überführte. Aus der Dualität von Jägerin und Gejagtem bezieht Roberts’ Roman einen Großteil seiner Spannung, die trotz gelegentlicher Überkonstruktion bis zum Schluss anhält. „Totenprediger“ soll der Auftakt zu einer neuen Reihe sein. Bei all dem Stoff, den allein Clays private Vergangenheit zutage fördert, lässt der nächste Fall sicher nicht lange auf sich warten.