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Mark Vonnegut: Eden Express – Die Geschichte meines Wahnsinns

Was immer den Berlin Verlag auf die eher unzeitgeistige Idee gebracht hat, das fast vierzig Jahre alte autobiographische Buch eines schizophrenen Hippies, der den Verstand verliert, erstmals auf Deutsch zu veröffentlichen – es war eine gute Entscheidung. „Eden Express“ ist zunächst einmal die Geschichte von ein paar Kindern, die nackt in den Wald ziehen, um dort die Gesellschaft neu zu errichten: Mark Vonnegut, Sohn des Kultschriftstellers Kurt Vonnegut und Musterhippie, erwirbt in den späten Sechzigern nach seinem Collegeabschluss zusammen mit ein paar Freunden ein abgelegenes Stück Land in der kanadischen Wildnis, auf dem sie schon bald eine Kommune bewirtschaften. Sie flüchten vor den Gräueln des Vietnamkriegs, dem Plastikzeitalter und einer aus den Fugen geratenen, kalt gewordenen Gesellschaft; gleichzeitig treibt sie die Sehnsucht nach einem Ende der Entfremdung und das Bedürfnis nach Transzendenz in die Wälder. Dort scheint alles harmonisch abzulaufen, bis Vonnegut nach einem folgenreichen Meskalintrip plötzlich glaubt, Stimmen zu hören:

Von hier an beginnt „Eden Express“ von der idealistischen Erzählung über die Suche nach einer alternativen Lebensweise in die Beschreibung eines sich auflösenden Verstandes überzugehen, und es ist dieser bruchlose Übergang, der das Buch so faszinierend macht: Die eindrückliche Schilderung Vonneguts, wie er in seinem eigenen Kopf und in den Welten, die dort in Sekunden entstehen und wieder zusammenstürzen, komplett verloren zu gehen droht, vermittelt dem Leser einen höchst beunruhigenden Eindruck davon, wie es sich anfühlen muss, tatsächlich verrückt zu werden. Dass Vonnegut es nach Gummizelle und Gesprächen mit Napoleon und Tolstoi geschafft hat, Medizin zu studieren und Kinderarzt zu werden, ist dabei nur die eine Pointe seines Berichts: Die andere ist die, dass er in all den Jahren ein optimistischer Hippie geblieben ist. (mwe)

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