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Martin Becker: Der Rest der Nacht

Ob es sich empfiehlt, den Lobworten anderer Schriftsteller, welche sich regelmäßig auf dem Einschlag von Büchern finden, allzu viel Bedeutung beizumessen, sei dahingestellt. Zumal, wenn die oder der Zitierte sich einen Verlag mit dem Autoren des vorliegenden Buches teilt.

Und doch: Wenn auf dem Einband von Martin Beckers „Der Rest der Nacht“ die Worte Terézia Moras prangen, die Beckers Literatur attestiert, sie gehe aufs Ganze, dann sei aufgemerkt. Schließlich ist es gerade ein gewisses Gefühl von Unverhandelbarkeit, das Moras Werke mithin bis an den Rand des Lesbaren trägt – und so enorm eindringlich macht.

Und tatsächlich trägt „Der Rest der Nacht“ Züge, die immer wieder an Mora denken lassen. So ist es zuvorderst Beckers Talent, einer Figur Verzweiflung einzuimpfen, ohne sie mit Details zu überfrachten. Vielmehr werden Tiefen und Untiefen, die es in der Vergangenheit seines Protagonisten zu finden gibt, sparsam und nur zögerlich preisgegeben, wodurch sich die Leerstelle als Beckers womöglich wichtigstes Werkzeug erweist.

So erfährt man, dass der junge Mann im Zentrum des Buches in seinen Heimatort zurückgekehrt ist, um dort den Verkauf des Hauses seines verstorbenen Vaters abzuwickeln. Da sich dies länger als geplant hinzieht, verzögert sich seine Abreise. Er pendelt also hin und her zwischen dem Hotel, in dem er sich einquartiert hat und mit dessen Concierge er ein oberflächlich freundschaftliches Verhältnis zu pflegen beginnt, dem Haus seines Vaters, einem Bordell und der Wohnung einer alten Dame, die er unter zwielichtigen Absichten besucht. Er trifft einen alten Bekannten, eine neue Liebe, skurrile und undurchsichtige Nebenfiguren.

Stets hängt ein vager Schleier des Unbehagens über Beckers Erzählung, der diese rätselhaft sowie bisweilen surreal färbt. Die fragmentarische Schreibweise und vereinzelte unangekündigte Perspektivwechsel sind Stilmittel, die diesen Roman undurchsichtig und zugleich sinnlich machen und ihn eben darin nicht zuletzt Mora-esk erscheinen lassen. Beckers Fähigkeit, die Grenzen zwischen Wissen und Ahnung zu verwischen, genau zu beobachten und scheinbar ungenau darzustellen, ist es, die den Vergleich mit der Literaturpreisträgerin zwar rechtfertigt, darüber hinaus aber individuelles Lob einfordert. „Der Rest der Nacht“ ist kurzweilig und aufwühlend, lässt Raum, ist zugleich sensibel und wunderbar roh. „Das Ende der Nacht“ tut, was Literatur viel öfter tun dürfte: kreative Lücken lassen.

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