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Tanzen, kreischen, weinen

Matt Berninger am Meer
(Foto: Chantal Anderson)

Jetzt veröffentlicht Matt Berninger auch noch ein berührendes Soloalbum. Der Sänger von The National weiß eben, wie man seine Drogen produktiv einsetzt.

Matt, warst du eigentlich auch so überrascht von „Folklore“, dem neuen Album von Taylor Swift, an dem dein The-National-Kollege Aaron Dessner maßgeblich mitgeschrieben hat?

Matt Berninger: Nö. Ich kannte einige der Instrumentalstücke schon länger, er hat uns auch gefragt, ob er sie für Taylor anstatt für The National benutzen darf. Aber das sind ja eh seine Ideen, er kann damit machen, was er will. Begeistert war ich eher davon, wieviel Talent Taylor Swift tatsächlich hat. Ich finde dieses Album jedenfalls super.

Hat Aarons Ausflug dich wiederum zu deinem eigenen Solo-Album angestachelt?

Berninger: Da hat überhaupt niemand gestachelt. Diese Platte hat sich eher über einen langen Zeitraum ganz langsam angeschlichen. Ich habe mal hier mit einem Kumpel, mal da für einen Film geschrieben, und dann hat die Sache Fahrt aufgenommen, als der Produzent Booker T. Jones mir sehr deutlich dargelegt hat, dass ich ein zusammenhängendes Album geschaffen hatte. Also haben wir es aufgenommen. „Serpentine Prison“ ist ein Soloalbum mit 25 musikalischen Genies als Unterstützung. Und es ging mir so entspannt von der Hand wie eine Hausgeburt. Oh.

Ja?

Berninger: Gut, dass es morgens halb acht ist und meine Frau noch schläft. Sie köpft mich, wenn sie das hört. Ein Kind zu bekommen ist natürlich zehn Mal härter als eine Platte zu machen. Ich weiß das, ich war dabei, als unsere Tochter im Krankenhaus zur Welt gekommen ist.

Die Lieder klingen so zart, so weich, irgendwie hingetupft.

Berninger: Sorry. (lacht)

Nee, das war als Kompliment gemeint.

Berninger: Danke. Ich bin einer dieser Männer, die immer von allem etwas zu viel haben: zu viel Gefühl, zu viel Mitteilungsdrang, zu viel Begeisterung, zu viel Geheule. Das kann auf meine Mitmenschen schon mal anstrengend wirken. Doch wenn ich ein Lied schreibe, und ich fange nicht an zu tanzen, zu kreischen oder zu weinen, wenn ich es mir selbst vorspiele, dann ist das ein Mistlied und kommt weg. Meine Songs sind keine Fastfood-Burger, sondern das Innere einer Zwiebel.

Du sagst im Titelstück, dass dir ein Leben ohne Drogen schwerfällt. Muss man sich Sorgen machen?

Berninger: Ach, in Sachen Drogen bin ich lahm – ganz besonders für einen Rocksänger. Kokain habe ich erst einmal in meinem Leben überhaupt gesehen und nicht genommen. Mir reicht ein Rotweinchen und vor Shows ein bisschen Gras, kombiniert mit einem Energydrink.

Hebt sich das nicht gegenseitig auf?

Berninger: Mich stimuliert das, weiß auch nicht. Vor Konzerten bin ich immer hundemüde, weil man auf Tour auch so einen kaputten Schlafrhythmus hat, und mit dieser Kombi schaffe ich es, so ein Konzert durchzustehen. Ach, Pilze nehme ich auch manchmal. Eigentlich alles, was in der Natur vorkommt. Nichts, was verarbeitet werden muss.

Jetzt haben wir ja doch eine stattliche Liste zusammen.

Berninger: Meinen wahren Dämon habe ich noch vergessen: Kautabak. Mein Onkel hatte eine Tabakfarm in Indiana, als Kinder waren wir im Sommer immer da und haben uns ohne Ende mit dem Zeug zugedröhnt.

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