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Matthias Bartke (SPD): Sicherungsgeld einführen!

Dr. Mathias Bartke
Vorsitzwechsel beim Ausschuss des Deutschen Bundestags für Arbeit und Soziales: Kerstin Griese, SPD, wechselt als Parlamentarische Staatssekretärin ins Ministerium, Matthias Bartke, (hier im Bild), SPD, übernimmt den Vorsitz. Matthias W. Birkwald, DIE LINKE, leitet die Sitzung. (Foto: Bundestag/Achim Melde)

Dr. Matthias Bartke ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist dort Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Bartke gehört zum linken Flügel der SPD und ist Mitglied der Parlamentarischen Linken innerhalb der SPD.

Matthias Bartke, der Kulturbegriff im Diskurs um kulturpolitische Entscheidungen ist bei weitem nicht umfassend genug. Das hat sich während der eineinhalb Jahre deutlich gezeigt, die von Covid-19 gezeichnet waren. Wie stehen Sie zu einer Erweiterung des Kulturbegriffs bei der staatlichen Förderung?

Dr. Matthias Bartke: Kultur ist in Deutschland in erster Linie Sache der Länder und der Kommunen. Daher ist es legitim, dass es viele unterschiedliche Definitionen des Kulturbegriffs gibt. Was als „Kultur“ gilt, ist ohnehin ziemlich subjektiv. Mir ist aber unabhängig davon wichtig, dass Kulturpolitik und Kulturförderung insgesamt einen wesentlich höheren Stellenwert erhalten. Die SPD will dafür die Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Durch diese Verankerung nehmen wir die Haushälter auf allen Ebenen in die Pflicht, Kultur in ihren vielen Facetten angemessen und kontinuierlich zu fördern.

Vom Puppentheater über Kinos und Musicalhäusern bis hin zu Konzertarenen müssen alle Kulturveranstalter strukturelle Förderungen erfahren, um Krisen wie den Lockdown bestehen zu können.

Bartke: In Krisen ist die Politik absolut gefordert, Kulturschaffenden bei Bedarf finanziell unter die Arme zu greifen. Das haben wir auch getan – unter anderem mit den Kulturmilliarden, den Zuschüssen zur Künstlersozialkasse und Maßnahmen wie Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld. Die Einführung einer strukturellen Förderung in großem Ausmaß sehe ich jedoch kritisch. Mir ist wichtiger, gezielt zu fördern und gut für Krisen vorzusorgen, damit diejenigen Mittel erhalten, die sie tatsächlich benötigen.

Vor allem aber auch die Kleinstunternehmen, die den unverzichtbaren kreativen und technischen Support organisieren, müssen strukturell abgesichert sein.

Bartke: Ich denke, dass auch hier gezielte Förderung und bedarfsgesteuerte Krisenhilfe die realistischere Option ist. In der Corona-Krise haben viele Kleinstunternehmen von unseren Hilfen profitiert. Wir haben häufig nachjustiert, damit möglichst niemand durchs Raster fällt. Perspektivisch brauchen wir aber eine bessere Absicherung von Soloselbständigen, etwa durch das von uns geplante neue Sicherungsgeld. Selbständige müssen sich gegen berufliche Ausfälle genauso absichern können wie Arbeitnehmer*innen.

Noch immer können keine Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen stattfinden. Was werden Sie unternehmen, damit Großveranstaltungen wieder möglich sind?

Bartke: Wir können Großveranstaltungen zulassen, wenn von ihnen keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Das wichtigste Instrument sind dabei die Impfungen. Sie müssen vorangetrieben werden, damit wir eine Herdenimmunität erhalten.

Wie wollen Sie dies vertragssicher gewährleisten?

Bartke: Die Unsicherheit bei der Planung von Veranstaltungen ist aktuell natürlich groß. Wir wollen den Veranstaltern einen mutigen Neustart ohne große Risiken ermöglichen. Deswegen hat Olaf Scholz vor einigen Wochen den Sonderfonds für Kulturveranstaltungen durchgesetzt. Er ist mit 2,5 Milliarden Euro ausgestattet. Dieses Geld können Veranstalter abrufen, um Events mit kleinerem Publikum rentabel zu machen und sich gegen eventuelle Ausfälle abzusichern.

Werden Instrumente eine Rolle spielen wie die Entscheidung, nur noch doppelt Geimpfte bei Veranstaltungen zuzulassen? Welche alternativen Instrumente sind angedacht?

Bartke: Aktuell entscheidet der Veranstalter darüber, wen er zulässt und wen nicht. Grundsätzlich sollen nur Menschen zugelassen werden, die geimpft, genesen oder getestet sind. Wie in den meisten europäischen Ländern sollen Tests aber ab Mitte Oktober nicht mehr kostenfrei sein.

Werden Entscheidungen eine Rolle spielen wie etwa ein Beschluss, wonach bei einer bestimmten Impfquote die Inzidenz keine Rolle mehr spielt bei der Durchführung von Großveranstaltungen?

Bartke: Das ist eine schwere Frage. Gesichert kann man nur davon ausgehen, dass eine Herdenimmunität ab einer Impfquote von etwa 85 Prozent erreicht ist. Dann sind die coronabedingten Beschränkungen aufzuheben.

Was wollen Sie unternehmen, damit die öffentlich-rechtlichen Sender in ihren Hauptkanälen in Zukunft ein breit gefächertes Kulturprogramm anbieten, das vor allem freischaffende darstellende Kunst, Musik aller Genres, Theateraufführungen und Tanz unabhängiger Bühnen und vieles mehr ins Programm bringen und über die Vergütung eine Kulturförderung etablieren, die nicht nur in Zeiten von Covid-19 dringend nötig ist?

Bartke: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist staatsfern organisiert und weitgehend selbstverwaltet. Die Rahmenbedingungen dafür werden auf Länderebene festgelegt. Als Bundestagsabgeordneter habe ich darauf aus guten Gründen keinen Einfluss. Dennoch bin ich persönlich sehr dafür, dass die Öffentlich-Rechtlichen ein ausgiebiges und vielfältiges Kulturprogramm senden. Sie haben die Aufgabe, vielen Menschen Kultur nahe zu bringen.

Was wollen Sie tun, damit der kulturelle Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender neu und deutlicher formuliert und dieser Auftrag dann auch wirklich umgesetzt wird?

Bartke: Als Bundestagsabgeordneter kann ich darauf wie gesagt keinen direkten Einfluss nehmen. Die zuständigen Landespolitikerinnen und –politiker sowie die Rundfunkräte sind die richtigen Ansprechpartner.

Die Systemrelevanz von Kultur – ihre grundlegende Bedeutung für Mensch und Gesellschaft – ist offensichtlich, was nicht zuletzt in den vergangenen eineinhalb Jahren schmerzlich sichtbar wurde. Wie lässt sich diese gesellschaftliche Notwendigkeit von Kultur aus allen Bereichen umwandeln in eine faktische materielle Absicherung?

Bartke: Ich glaube, dass vielen Menschen erst durch die Pandemie bewusst geworden ist, wie wichtig Kultur in unser aller Leben ist. Es kann aber nicht sein, dass diejenigen, die Kultur für uns alle erschaffen, so großen sozialen Risiken ausgesetzt sind. Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld haben vielen Kulturschaffenden geholfen. Dennoch gibt es weiterhin viel zu tun. Nur weil jemand selbständig statt angestellt arbeitet, sollte er nicht auf Grundsicherungsniveau fallen, wenn länger keine Arbeit gibt.

Die SPD wird daher in der kommenden Legislatur das Sicherungsgeld einführen. Es soll selbständigen Künstler*innen auch in Phasen der Auftragslosigkeit ein Auskommen sichern, das in der Höhe mit dem Arbeitslosengeld vergleichbar ist. Außerdem werden wir die Bedingungen in der Renten- und Krankenversicherung für diese Gruppe verbessern.

Wann wird damit begonnen?

Bartke: Die strukturellen Verbesserungen in der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Kulturschaffenden werden in der kommenden Legislatur hoch auf unserer Agenda stehen. Sie gehören zu den zentralen Konsequenzen, die wir aus den Erfahrungen der Pandemie ziehen. Sie werden daher zu den ersten Punkten gehören, die die SPD bei einer Regierungsbeteiligung in Angriff nimmt.

Wie soll eine materielle Absicherung ausgestaltet werden?

Bartke: Im Kern durch eine Verankerung der Kultur als Staatsziel im Grundgesetz, durch die Einführung des Sicherungsgeldes und durch Verbesserungen in der Renten- und Krankenversicherung für selbständige Kulturschaffende.

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