Michael Kumpfmüller: Ach, Virginia
Michael Kumpfmüller schildert die letzten Tage der Schriftstellerin Virginia Woolf: so drastisch, dass man fast Atemnot bekäme.
Man möchte tief durchatmen am Ende dieses Romans. Nicht weil Michael Kumpfmüller in seiner Annäherung an die letzten Tage der Schriftstellerin Virginia Woolf deren Freitod im Fluß so drastisch schildert, dass man Atemnot bekäme – nein: weil wenigstens die letzten sechs Seiten des Romans sich ihrem Ehemann Leonard widmen und in kurzen Sätzen Leonards späte Jahrzehnte mit seiner Ehefrau Trekkie schildern, nachdem er sich vorher aufopfernd um Virginia gekümmert hatte.
Auf den über 200 Seiten vor dem Freitod befinden wir uns ausschließlich im Kopf der schwer depressiven Virginia Woolf, und der Rezensent kommt nicht umhin zu gestehen, dass er sich dort deplatziert vorkommt. Liegt es an den vielen intimen Informationen, die Kumpfmüller auf Basis der Lebensdaten Woolfs kreativ erfindet? Eigentlich nicht. Liegt es daran, dass man diese so bedeutende Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts so schwach nicht sehen möchte? Vielleicht. Tatsache ist, dass „Ach, Virginia“ dort am stärksten anmutet, wo Rückblenden der Erinnerung eine in Klatsch und Tratsch beißend-scharfe Woolf zeichnen und wo der Lebenswille einer erfolgreichen Künstlerin und bisexuell Liebenden sich Bahn bricht. jw
Michael Kumpfmüller Ach, Virginia
Kiepenheuer & Witsch, 2020, 240 S. 22 Euro