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Michael Moore

Der Schriftsteller Ray Bradbury findet, er ist dämlicher Drecksack. Die Popband Wir Sind Helden fühlt sich gut, wenn sie an ihn denkt. Für die einen ist er ein politischer Held, für die anderen ein propagandistischer Scharlatan. Michael Moore“ ist heiß, denn er lässt keinen kalt. Sein Anti-Bush-Film „Fahrenheit 9/11“ wird die Gemüter wieder stark erhitzen, Tendenz: Siedepunkt.

kulturnews: Mister Moore, was war Ihre Motivation für „Fahrenheit 9/11“?

Michael Moore: Ich wollte etwas über die Zeit aussagen, in der wir leben: die USA nach dem 11. September. Wie wir dort hingekommen sind, wo wir heute sind. Was uns als amerikanisches Volk widerfahren ist. Und ich wollte Spaß dabei haben. Ich denke, dass es wichtig ist zu lachen – selbst in Zeiten wie diesen. Deshalb enthält dieser Film, wie auch meine anderen Filme, eine gesunde Portion Humor. Allerdings war ich diesmal eher der seriöse Typ – die lustigsten Sprüche hat mir George W. Bush ins Drehbuch geschrieben. Ich frage mich, was ich tun soll, wenn Bush bei der Gilde der Drehbuchautoren anklopft und deshalb in den Credits des Films genannt werden will.

kulturnews: Wie glauben Sie, werden die Zuschauer auf Ihren Film reagieren?

Moore: Ich denke, wenn die Leute in den USA diesen Film sehen, wird er für sie eine Aneinanderreihung von Enthüllungen sein – so etwa über die Tatsache, dass man ihnen Lügen erzählt hat. Wenn die Amerikaner diese Informationen erhalten, werden sie entsprechend handeln. Der schwierige Teil ist, ihnen die Informationen zu vermitteln. Wenn die freie Mitarbeiter, mit denen ich gearbeitet habe, in der Lage waren, das herauszufinden, was sie im Irak herausfanden, dann muss man sich fragen, warum wir Amerikaner solche Bilder noch nicht gesehen haben. Und das, obwohl die amerikanischen Networks jeden Tag vor Ort sind und Millionen von Dollar in die Berichterstattung investieren. Als wir den Film in Cannes zeigten, sahen die Leute das erste Mal Bilder von Misshandlungen, Demütigungen und Erniedrigungen irakischer Gefangener. Sicher, man kannte Fotos aus dem Gefängnis, aber keine Filmbilder. Es gab auch keine Bilder, die außerhalb des Gefängnisses aufgenommen wurden. Die Misshandlungen, die im Film zu sehen sind, sind aber außerhalb der Gefängnismauern passiert. Die Zuschauer in Cannes waren die ersten, die diese Bilder gesehen haben. Das ist eine Schande.

kulturnews: Sie stellen die These auf, dass die Regierung die Angst in der Bevölkerung bewusst schürt …

Moore: Ich wollte in diesem Film die Massenhysterie und die allgegenwärtige Angst behandeln, die diejenigen angestiftet haben, die momentan die Macht im Land haben. Teilweise, um die Bevölkerung von den wichtigen Themen abzulenken, mit denen wir uns beschäftigen müssten. Teilweise auch, um sicherzustellen, dass ihre Pläne erfolgreich umgesetzt werden. Die Bush-Regierung hätte niemals den Irak-Krieg anfangen können, wenn sie nicht vorher bei der amerikanischen Bevölkerung die Angst geschürt hätte, dass Saddam Hussein etwas mit dem 11. September zu tun habe. Genau das ist der Regierung gelungen. Umfragen zeigen, dass über 70 Prozent der Bevölkerung glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen El Qaida und Saddam Hussein gab. Die Regierung ist gut in dem, was sie tut. Ich wollte mit diesem Film den Amerikanern die andere Seite zeigen – wie sie manipuliert werden mit all diesem Schrecken, mit diesen „high alerts“ und „orange alerts“, mit diesem und jenem. Bis wir glauben, dass wir jederzeit attackiert und getötet werden können. Dies ist genau die Essenz von dem, was Orwell in „1984“ ausgedrückt hat. Die Führer müssen die Bevölkerung in einen andauernden Schreckenszustand versetzen. Wenn sie die Bevölkerung überzeugen, dass der Feind immer und überall ist und jederzeit angreifen kann, dann wird das Volk freiwillig seine Freiheit aufgeben, weil es geschützt werden will.

kulturnews: Würden Sie sich den Film gemeinsam mit George Bush anschauen?

Moore: Ich würde den Film liebend gern im Weißen Haus vorführen. Und ich würde mich zu benehmen wissen.

Interview: Thomas Steinfeld

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