Michael Pauen / Harald Welzer: Autonomie – eine Verteidigung
Wenn ein Buch den Titel „Autonomie – eine Verteidigung“ trägt und damit etwas verteidigen will, das eigentlich fester Bestandteil des Selbstverständnisses westlicher Gesellschaften ist, muss etwas im Argen liegen, oder? Um es kurz zu machen: Pauen und Welzer sehen die Gefahr eines digitalen Totalitarismus heraufziehen, der mit der üblichen Verschlagwortung – Google Glass, Social Freezing, Der Circle – wie eine Regenwolke über dem Buch hängt, das fortwährend raunt: Da kommt etwas auf uns zu. Anstatt aber nun ein konkretes Szenario zu kreiern, wie diese Transparenzdiktatur genau aussehen wird/könnte, gehen die beiden einen anderen Weg und widmen sich dem Wert der Autonomie selbst, und vor allem: ihrer Fragilität. Sie umreißen dazu knapp Definition und Entwicklung des Autonomiebegriffs, beleuchten anhand sozialer Experimente, wie Konformismus zustande kommt und schildern, welcher Voraussetzungen autonomes Handeln überhaupt erst bedarf. Das ist aufschlussreich und informativ, liefert allerdings vor allem Lesern von Welzers früheren Arbeiten wenig neue Erkenntnisse. Problematisch wird es dagegen im letzten Drittel des Buchs: Trotzdem dort der tiefe Skeptizismus der Autoren – etwa gegenüber den Zwangsbeglückungen aus dem Silicon Valley – durchweg zu spüren ist und sie dringlich darauf hinweisen, dass mit dem Ende der Privatheit auch das Ende der persönlichen Autonomie (und der Demokratie) besiegelt sein könnte, fehlt es diesen Abschnitten an analytischer Substanz: Zu umfangreich das Thema, zu knapp die Kapitel, um hier mehr als einen feuilletonistischen Abriss bieten zu können. Sollte es aber das Anliegen des Buchs sein, dem Leser zumindest klar zu machen, dass er für ein wenig mehr Bequemlichkeit und ein paar schicke technische Gadgets besser nicht seine persönliche Souveränität verscheuern sollte, ist dieses Vorhaben durchaus geglückt.