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Michel Houellebecq: Gestalt des letzten Ufers

Probe aufs Exempel: Gibt man die Worte „französischer Skandalautor“ bei Google ein, findet sich unter den Suchergebnissen der ersten Seite nicht eines, welches sich nicht dem Schriftsteller Michel Houellebecq widmet. Ja, tatsächlich, Houellebecq ist, aus gutem Grund, unumstritten strittig und nimmt in der französischen Kulturlandschaft einen Platz als Dissident und Nationalheiligtum zugleich ein.

Seine Lyrik ist über die Landesgrenzen bisher kaum bekannt – ein Umstand, den der zweisprachig erschienene Gedichtband „Gestalt des letzten Ufers“ zu ändern in der Lage sein sollte. Wer des Französischen mächtig ist, dem empfiehlt sich unbedingt die Lektüre der originalsprachlichen Lyrik, denn Houellebecq dichtet mit einem Feinsinn für Reim und Struktur, der ihn nicht zum Formsklaven macht. Die Prosa bleibt stets wichtiger Bestandteil dieses Werkes und bewahrt es davor, seine Dringlichkeit in Stilisierungen aufzulösen.

„Gestalt des letzten Ufers“ ist sinnlich, verzweifelt, romantisch – mehr, viel mehr, als man es von Houellebecq wohl erwartet hätte. Für alle, die sich weiterhin kritisch an ihm abzuarbeiten gedenken, hat der Autor zwar vorsorglich auch ein Kapitel mit dem Titel „Erinnerungen eines Schwanzes“ in den Band aufgenommen, doch darüber hinaus eröffnet Houellebecq die Möglichkeit, eine fragile, ja zarte Seite an ihm zu erfahren.

„In einem Zustand leben, der der Verzweiflung verwandt ist, ohne sie jedoch zu erreichen. Ein Leben, zugleich kompliziert und uninteressant.“ – solche Sätze sind es, die von existenziellem Leiden berichten, ohne in selbstgefälliger Larmoyanz zu versinken, und es ist der Eindruck, dass Houellebecq einfach schreiben muss, um seinem gebeutelten Wesen eine Ordnung beizubringen, der die Lektüre zu einer nahezu voyeuristischen Beschäftigung macht. Und dies, so muss man eingestehen, ist ziemlich reizvoll.

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