Mickey Rourke
Früher war Mickey Rourke alles, was eine coole, rebellische Sau sein musste: arrogant, lässig, sexy und ziemlich wütend. Heute nutzt der 49-Jährige seine Aggressionen konstruktiv – dank Therapie und seinem Schoßhund.
_ulysses: Mister Rourke, Domino Harvey gab Ihre Modelkarriere auf, um Kopfgeldjägerin zu werden. Sie haben 1991 die Schauspielerei an den Nagel gehängt, um Profiboxer zu werden …
mickey Rourke: Ja, darin sind wir uns ähnlich. Ehrlich gesagt: Ich vermisse das Boxen noch immer. Doch die Ärzte sagten damals, dass ich diesen Sport aufgeben müsse. Leider, denn nun fehlt mir die regelmäßige Herausforderung. Für jeden Kampf musste ich hart trainieren, und dazu wozu war immer viel Disziplin nötig.
_ulysses: Braucht man als Schauspieler nicht genauso viel Disziplin?
Rourke: Das musste ich erst lernen. Früher habe ich Filme gedreht, um meine Rechnungen bezahlen zu können. Wenn mir etwas nicht gepasst hat, hat es gekracht, und ich habe mich mit jedem angelegt. Dadurch habe ich mir viel vermasselt – die Schuld dafür liegt ganz allein bei mir. Zehn Jahre hat es gedauert, das einzusehen. Ich habe eine zweite Chance bekommen. Darüber bin ich sehr froh.
_ulysses: Was hat Sie verändert?
Rourke: Mir ist irgendwann bewusst geworden, dass ich alles verloren hatte: meine Karriere, meine Haus, mein Geld und meine Frau. Ich bekam keinen Job mehr, war am Boden zerstört und musste nochmals ganz von vorne anfangen. Ich habe mir einen Therapeuten gesucht, zu dem ich vier Jahre lang dreimal die Woche ging. Anfangs dachte ich noch, dass mit mir alles in Ordnung ist, aber es ist schon einiges in meinem Leben falsch gelaufen. Heute gehe ich nur noch einmal die Woche zum Therapeuten – aber es ist wichtig, dass ich gehe.
_ulysses: Man hatte Ihnen in den 80er Jahren schnell das Image des Rebellen verpasst. Das muss Ihnen doch gefallen haben.
Rourke: Es war okay, solange ich noch jung und dumm war. Aber immer so zu sein macht dich sehr einsam. Denken Sie an Marlon Brando, und wie sie alle hießen, die man als Rebellen bezeichnete. Letztendlich waren sie alle traurige Existenzen. Darauf kann man nicht stolz sein.
ulysses: Was fühlen Sie, wenn Sie sich Ihre frühen Filme ansehen, in denen Sie noch jung und attraktiv waren?
Rourke: Das kann ich nicht, weil es zu viel hervorholt. Warum soll ich mir diesen Kerl ansehen? Es reicht, wenn ich mich jeden Tag zum Rasieren im Spiegel betrachten muss.
_ulysses: Wie leben Sie Ihre Wut heutzutage aus?
Rourke: Da ich nicht mehr Boxen darf, bleibt mir nur noch die Schauspielerei. Es macht Spaß, Typen wie Marv in „Sin City“ oder Ed in „Domino“ zu verkörpern. Da kann ich mich so richtig austoben und lande noch nicht einmal im Knast.
_ulysses: Und wohin mit der Wut, wenn Sie nicht vor der Kamera stehen?
Rourke: Früher habe ich mich mit jedem Polizisten angelegt, der mir einen Strafzettel verpassen wollte und brüllte: „Hast du nichts Besseres zu tun als diesen Scheiß?“ Mein Therapeut hat mir beigebracht, dass mir solche Auseinandersetzungen nichts bringen. Wenn ich heute einen Strafzettel kriege, bedanke ich mich und fahre weiter. Aber keine Angst – ich spüre noch genügend Zorn in mir. Der reicht für drei weitere Leben.
_ulysses: Wie passt das mit Ihrem Schoßhündchen zusammen, dass Sie in letzter Zeit immer mit sich herumtragen?
Rourke: Sie heißt Loki, und ihr Vater war mein bester Freund, bis er starb. Jetzt ist sie meine beste Freundin. Es gibt kein Wesen, dem ich mehr vertraue – und sie kann mir nicht weglaufen.
Interview: Markus Tschiedert