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Mordecai Richler: Joshua damals und heute

Bein im Gips, Arm im Gips, Rippen gebrochen, aber immerhin: kein Blut mehr in der Lunge. Joshua Shapiro hat einiges mitbekommen, ohne dass wir zunächst erzählt bekämen, was. Der gerade halbwegs genesene Sportjournalist sitzt alleine in seinem Haus in Montreal und schiebt Arbeit vor sich her. Seine Frau Pauline ist nicht da, und das scheint ihn am meisten zu beunruhigen. Wo sie ist: Auch das erfahren wir nicht. Statt dessen jagt uns der kanadische Schriftsteller Mordecai Richler in den Gedanken und Erinnerungen seines kanadisch-jüdischen Helden durch die Jahrzehnte, schickt uns nach Ibiza, nach London, nach Paris.

Schicht für Schicht arbeitet sich der Sohn eines erfolglosen Profiboxers in die Vergangenheit vor, und der Leser erschließt sich Zusammenhänge und Charaktere der Oberschicht Montreals durch die Kombination aller Zeitebenen; vor allem aber: aus der Sicht des Emporkömmlings Shapiro. Das alles ist harte Arbeit des Lesens, doch der Autor versüßt sie uns – wie auch in seinen anderen Romanen – mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, angelegt im Charakter des Protagonisten, und mit einer sehr großen Portion schwarzen Humors. „Joshua damals und jetzt“ ist erstmals 1980 erschienen, viele kulturellen Anspielungen erschließen sich nicht auf Anhieb. Seine komisches, politisch oft unkorrektes Potenzial aber belohnt den Leser für jede Mühe. (jw)

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