Nadja Uhl
Es passiert nicht jeden Tag, dass eine deutsche Schauspielerin in einem ausländischen Film für den Auslands-Oscar nominiert wird. In der niederländischen Bestseller-Verfilmung „Die Zwillinge“ spielt Nadja Uhl eine Hauptrolle. Die 32-Jährige aus Mecklenburg freut sich darüber – hat aber Angst, zu verblöden.
kulturnews: Im Film musst Du als Anna während des Nationalsozialismus auf einem ärmlichen Bauernhof leben, träumst aber von einer Zukunft an der Universität. Ging es Dir in Deinem mecklenburgischen Dorf genauso, als Du schon als Kind den Wunsch hattest, Schauspielerin zu werden?
Nadja Uhl: Meine Herkunft hat für die Rolle eher Werte wie Bodenständigkeit mitgebracht. Immer schön auf dem Teppich bleiben – wie es eben so die mecklenburgische Mentalität ist. Ich bin nun mal ein deutsches Mädel und durch meine Familie eben auch mit deutscher Vergangenheit. Dadurch ist mir das Schicksal von Anna schon sehr nahe. Allein schon durch meine Großmutter, die auf einem Landgut in Pommern aufwuchs. Es ist aber auch die Geschichte von vielen unserer Großmütter. Das ist gerade das Großartige an dieser Rolle: dass sie ein ganz normales deutsches Schicksal dieser Zeit behandelt
kulturnews: Wie groß ist eigentlich die Anstrengung, sich aufs Stichwort in die jeweilige Gefühlslage für eine Filmszene hineinzuversetzen?
Uhl: Ich versuche immer, mich in die Szenen möglichst intensiv hineinzufühlen. Das ist eine ungeheuere Konzentrationsaufgabe. Nach solch einem Tag bin ich dann echt knülle. Es ist übrigens wissenschaftlich erwiesen, dass man als Schauspieler ähnliche Hormonausschüttungen hat wie bei einer real erlebten Situation. Komm mir also nicht zu nahe, wenn ich mal eine Mörderin spiele!
kulturnews: Bei der Aufnahmeprüfung an der Berliner Schauspielschule empfahl man Dir, Dich nach einem anderen Beruf umzusehen. Was wäre aus Dir geworden, wenn es dann auch an der Hochschule Leipzig nicht geklappt hätte?
Uhl: Dann hätte ich was anderes gemacht. Etwas Handwerkliches zum Beispiel oder eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Ich glaube, dass ich auch andere Aufgaben mit ebenso viel Leidenschaft ausfüllen könnte. Ich liebe natürlich meinen Beruf, halte mich aber nicht für die Schauspielerin des Jahrhunderts. Ich denke nicht: Ich muss bis ins hohe Alter vor der Kamera stehen! Ich muss unbedingt nach Hollywood! Dafür bin ich viel zu wenig eitel und auch nicht ehrgeizig genug
kulturnews: Deine Filmografie ist beachtlich: 24 Filme und Fernsehspiele in knapp zehn Jahren. Machst Du nie Pause?
Uhl: Da herrscht eine ganz große Diskrepanz darin, wie es Journalisten, ich selbst und wie es meine Freunde empfinden. Die kriegen natürlich mit, wie lange ich zu Hause rumsitze und nichts zu tun habe, und freuen sich darüber, dass ich immer zur Verfügung stehe. Die Durststrecken kriegen die Menschen draußen ja nicht mit. Ich habe jetzt zum Beispiel von November bis August nicht mehr gedreht. Dann bin ich meist auch am Tiefpunkt meiner Faulheit angekommen. Das kippt bei mir immer ganz leicht ins Phlegma, und ich kriege den Hintern nicht mal mehr zum Joggen hoch. Dann schalte ich schon um elf Uhr morgens die erste Talkshow ein und denke: Toll, jetzt setzt die Verblödung ein. Wenn ich dann aber wieder spiele, klotze ich richtig ran. Ich will mich mit meiner Arbeit ja auch nicht blamieren.
kulturnews: Braucht man nach langen Dreharbeiten diese Erholungsphasen nicht auch dringend?
Uhl: Natürlich. Was mich immer wundert, ist, dass so wenige Schauspieler darüber sprechen, was für einen Knochenjob wir bisweilen machen. Nimm „Die Zwillinge“: Eine Stunde lang im nassen Schweinemist zu liegen, geht irgendwann einfach tatsächlich auf die Knochen und in den Rücken. Bronchitis, Stirnhöhlenvereiterung und Kehlkopfentzündung gehören einfach dazu, wenn du bei minus 3 Grad im Kleidchen herumrennen musst, weil deine Szene dummerweise im Sommer spielt. Und Schlafentzug hat man sowieso. Mal hast du Tag-, mal Nachtdreh, da kommt jeder Biorhythmus durcheinander. Arbeitstage mit 16 Stunden sind auch nicht selten. Aber ich bin ganz still. Das ist Jammern auf hohem Niveau – das Schmerzensgeld ist schließlich hoch genug.
Interview: Axel Schock