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Nathan Gray: „Attitude habe ich jede Menge“

Nathan Gray
(Foto: End Hits Records)

Boysetsfire-Sänger Nathan Gray hat sich lange Zeit nicht an Soloalben gewagt. Doch jetzt kann er die Aufarbeitung nicht mehr stoppen.

Nathan, es hat über 20 Jahre gedauert, bis du 2018 dein erstes Soloalbum „Feral Hymns“veröffentlicht hast. Doch „Working Title“ ist jetzt schon der dritte Alleingang in nur drei Jahren. Ist dein Solomaterial gerade besonders dringlich?

Nathan Gray: Es hat eine Weile gedauert, bis ich da reingekommen bin, aber dann ging es plötzlich immer weiter. Als Boysetsfire 2007 das erste Mal eine Pause eingelegt haben, sollte eigentlich schon das Bandprojekt The Casting Out ein Soloprojekt werden – aber damals war ich noch nicht so weit. Erst „Feral Hymns“ hat mich in diese neue Rolle gezwungen.

Hattest du Skrupel, weil du dann ganz allein im Mittelpunkt stehst?

Gray: Oh, absolut! Es hat mir richtig davor gegraut. Und nicht nur rein musikalisch, sondern auch, weil ich so düstere Dinge thematisiere. „Echoes“ war der erste Song, den ich für „Feral Hymns“ geschrieben habe: In dem Song beschreibe ich den sexuellen Missbrauch, den ich als Kind erlebt habe. Das war etwas, über das ich sehr lange Zeit nicht sprechen geschweige denn mir Hilfe suchen konnte. Wenn ich jetzt Fotos von mir aus dieser Zeit sehe – ich war am Ende. Daran habe ich über 30 Jahre festgehalten, und als ich „Echoes“ geschrieben habe, ist irgendwie der Damm gebrochen. Es ist schön, jetzt im Nachhinein die Entwicklung zu sehen: „Working Title“ ist so viel positiver und heller. Das neue Album ist sehr bezeichnend für den Weg, auf dem ich mich befinde.

Ist es schwer für dich, dein Solomaterial von deiner Arbeit mit Boysetsfire zu trennen?

Gray: Das ist gar nicht nötig, denn bei Boysetsfire gebe ich für viele der Songs nicht den Impuls. Chad [Istvan, Gitarrist, Anm. d. Red.] schickt mir oft Skizzen, und ich schreibe dazu Texte und Gesangsmelodien. Bei meinen Solosongs schreibe ich alles. Die Unterscheidung kommt also von ganz allein: Wenn ich es schreibe, ist es meins. (lacht)

Fühlt es sich anders an, deine eigenen Songs live zu spielen?

Gray: Es fühlt sich bestärkend an. Die positiven Reaktionen des Publikums sind großartig – gerade weil bei diesen Songs vom Text über die Musik bis zur Produktion alles von mir ausgeht. Ich habe lange an mir gezweifelt: Als Gitarrist spiele ich vor allem Powerchords, und ich dachte an all das, was ich nicht kann. Es gibt ein Zitat von Miles Davis, das mir sehr geholfen hat: „20% ist Talent, 80% ist die attitude of the motherfucking playing“. Und attitude habe ich jede Menge.

Interview: Jonah Lara

„Working Title“ von Nathan Gray ist gerade erschienen.

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