„Neo-Romance“ von Alexandra Stréliski: Nur Wohlfühlen reicht nicht!
Manchmal wünscht sie sich eine Katze. Doch an und für sich ist die kanadische Pianistin Alexandra Stréliski mit ihrem turbulenten Leben ganz zufrieden.
Man tritt Alexandra Stréliski nicht sehr nah, wenn man die 39-jährige Pianistin und Songschreiberin als vollumfängliche Kosmopolitin bezeichnet. Im kanadischen Montreal geboren und großgeworden, hat sie einige Jahre in Paris gelebt und pendelt nun eifrig hin und her zwischen der alten Heimat in Quebec und ihrem eigentlichen Hauptwohnsitz im niederländischen Rotterdam, wo sie mit ihrer Partnerin – einer Doktorandin aus Brasilien – zusammenlebt. „Es gibt Tage, an denen würde ich mir nichts sehnlicher wünschen als ein normales, sesshaftes Leben mit Katze oder wenigstens ein paar Pflanzen. Doch ich weiß es auch zu schätzen und auszukosten, so viele unterschiedliche Kulturen und Lebenswirklichkeiten zu kennen.“
„Neo-Romance“ von Alexandra Stréliski: Im eigentlichen Sinne romantisch
Zumal sich Stréliski für ihr neues und mittlerweile drittes Album „Néo-Romance“ auch dezidiert von der europäischen Klassikgeschichte inspirieren lassen hat, insbesondere natürlich von der Romantik – aber auch von ihren eigenen Vorfahren. „Ich habe bei einer gründlichen Familienrecherche herausgefunden, dass eine ganze Reihe meiner Ahnen von meinen Großeltern an aufwärts extrem musikalisch gewesen ist. Lange habe ich gedacht, ich sei die Einzige, aber eine Ur-Ur-Oma hat etwa Klavier am Konservatorium in Paris gelehrt.“ Stréliskis Vater ist Franzose, die Familie ist polnisch-jüdischer Abstammung, und Teile von ihr haben einst in Amsterdam gelebt. „Vielleicht fühle ich mich auch deshalb in Holland so besonders wohl“, mutmaßt sie.
Zum Wohlfühlen ist auch Stréliskis Musik wie geschaffen – aber nicht nur. Die Kompositionen auf „Néo-Romance“ sind wundervoll warm und sehr melodisch, mal sehr ruhig („Border“, „Rêveries“), mal durchaus pulsierend („The Breach“). Man kann sich in das Pianoalbum hineinlegen – und doch haben die Stücke ihre kleinen Haken, Borsten und Brüche. „Was ich an der Neoklassik – und in dieses Genre werde ich ja nun mal eingeordnet – oft nicht so schätze, ist die Gleichförmigkeit vieler Nummern“, sagt Stréliski. „Manches scheint mir nur gemacht zu sein, um auf Streaming-Playlisten nicht unangenehm aufzufallen. Es ist für passives Hören konzipiert.“
Nicht so bei der Kanadierin. Mit sechs Jahren hat sie das Klavierspielen begonnen, und schon die allererste Komposition der kleinen Alexandra sei nach eigenen Angaben echt unheimlich und schräg gewesen. „Atmosphère“ hat die Achtjährige ihr Lied genannt, die schon damals davon geträumt hat, Musik für Hollywoodfilme zu schreiben – was ihr Jahre später mit den Soundtracks zu „Dallas Buyers Club“ und „Demolition“ auch gelungen ist. Stilistisch einhegen lassen hat sich Stréliski sowieso nie: „Ich habe in meiner Jugend eine Techno-Phase gehabt, eine Hip-Hop-Zeit und eine sehr ausgeprägte Neigung zum Heavy Metal.“ Zuletzt – und das ist nicht so lustig – war da auch eine Burn-Out-Phase, doch davon habe sie sich gut erholt.
Wünscht sie sich denn manchmal, in der Epoche der Romantik, etwa Anfang oder Mitte des 19. Jahrhunderts zu leben? „Nein danke“, sagt Stréliski, die ihr erstes Album „Pianoscope“ im Jahr 2010 noch zusammen mit ihrer Mutter vom heimischen Wohnzimmer aus per Post verschickt hat und sich so eine sehr rege Fangemeinde aufbauen konnte. „Als lesbische Frau, die eine Karriere als Pianistin verfolgt, wäre ich damals wahrscheinlich nicht besonders weit gekommen. Auch wenn es mitunter stressig ist, möchte ich mein Leben in einem offenen und toleranten Kokon aus lauter Liebe gegen nichts in der Welt eintauschen.“