Nicholas Searle: Das alte Böse
In Großbritannien war Nicholas Searles Romandebüt ein großer Erfolg und Hype. Man könnte daher mit einigem Recht einen Pageturner erwarten. Und den bekommt man auch – allerdings einen Pageturner der anderen Sorte: Man ist schwer versucht, zalreiche Seiten zu überblättern. Die Geschichte des 80plus-Gauners Roy Courtnay, der die vermeintlich arglose Betty heiratet und Böses vorhat, wechselt zwischen der Gegenwart und langatmigen Rückblicken in Roys Vergangenheit als Betrüger, bis ins Jahr 1938, bis zum Zweiten Weltkrieg, ja, bis zum Holocaust. Dafür vernachlässigt das Buch Logik, Figurenentwicklung und Tiefgang in der Heute-Handlung.
Der frühere Staatsdiener Searle schreibt ostentativ, übererklärend und wörterbuchklug. Das ist oft nicht mehr als das um möglichst viele originelle Wörter, Synonyme und Euphemismen Ringende, das Kreatives Schreiben charakterisiert. Der Effekt: Die Sätze haben kein Zentrum, keinen Rhythmus, sie verschwimmen geradezu durch ihren eher theoretischen denn sinnlichen Aufbau und ihre Beliebigkeit vor dem lesenden Auge. Man kommt nicht rein in dieses Buch. Ein Lektor oder spätestens die deutsche Übersetzung hätten hier ordnend eingreifen und Searles Syntax in eine Form bringen müssen, die dem Attribut „Literatur“ näher kommt. Die ganze formelhafte Story mit all ihren Rückblenden und der abrupten, aber abgewetzten Wendung erinnert daher mehr an einen Film als an einen Roman – und die Rechte an dem Buch sind auch schon verkauft. Dann hätte Searle aber auch ein Drehbuch schreiben können, das umfasst in der Regel nur 100 Seiten. Und das wäre auch mehr als genug gewesen.