Nico Semsrott geht mit „Brüssel sehen und sterben“ auf Tour
Nico Semsrott verlässt nach einer Legislaturperiode das Europäische Parlament und tourt wieder als Kabarettist. Der Programmtitel: „Brüssel sehen und sterben.“
Das Buch „Brüssel sehen und sterben“ ist vor wenigen Wochen erschienen, jetzt geht der Satiriker Nico Semsrott mit dem Programm auf Tournee. Semsrott war für die Satirepartei Die Partei ins Europäische Parlament gewählt worden und hat die Partei später verlassen. Er gehörte im EU-Parlament der Fraktion der Grünen an.
Nico Semsrott hat die Termine seiner neuen Tournee „Brüssel sehen und sterben“ ziemlich genau um eine der letzten Sitzungswochen des Europäischen Parlaments herumgelegt, denn letzteres tagt vom 22. bis 25. April. Zur nächsten Wahl wird der der Satiriker nicht mehr antreten. Semsrott, der sich selber als Demotivationstrainer und Experte des Scheiterns bezeichnet und seiner eigenen Meinung nach schon seit Jahren keine Satire mehr macht, war – auf Listenplatz zwei der Satirepartei Die Partei – 2019 ins Europaparlament gewählt worden und ist damals sehr schnell der Fraktion der europäischen Grünen beigetreten. Später trat er aus der Satirepartei aus und warf Parteichef Martin Sonneborn rassistische Stilmittel in dessen Satire vor.
Nico Semsrott: Kurzvideos viel besser als das Buch
Jetzt hat Semsrott sein Buch „Brüssel sehen und sterben“ herausgebracht, es soll ein Bericht über seine Legislatur im Europäischen Parlament sein. Gleich im ersten Hinweis des Buches sagt der Satiriker jedoch klipp und klar, das Buch gar nicht selbst geschrieben, ja: es noch nicht einmal gelsesen zu haben, nachdem Ghostwriter es geschrieben hatten. Semsrott hatte diesen wohl nur einen Haufen Notizzettel hingeschmissen, und die haben dann das vorliegende Buch daraus gemacht. In Interviews sagte Semsrott auch, er habe sich von der Institution des Parlaments immer wieder angelogen gefühlt, was ihn persönlich verletzt habe. Daraus wird deutlich, dass der Satiriker im Lauf der fünf Jahre Parlamentszeit nicht die nötige Distanz des Parlamentariers zur Institution wahren konnte, was schade ist. Vor allem aber machte diese Haltung auch aus dem Buch mehr einen Befindlichkeitbericht als einen Bericht aus dem Europäischen Parlament. Einzelne Kapitel heißen „Was mache ich hier?“ „Hä?“ oder „Es ist alles so kompliziert“. Viel besser sind da schon die kurzen Videos, die Semsrott jetzt endlich wieder liefert und die hoffentlich auch den satirischen Stil seines Programms vorwegnehmen. Denn leider wurde das Buch in seiner oft heftigen Larmoyanz und auch Redundanz auf weiter Strecke sehr schwer lesbar.
Nichtsdeostotrotz sind Nico Semsrotts Erzählungen über das Europäische Parlament in ihrer gerade nicht distanzierten Haltung zum Objekt der Berichte eine gute Alternative zu Martin Sonneborns viel ausführlichere Berichterstattung, weil sie nicht ironisch distanziert daherkommen, sondern ihren Wert aus ihrer Authentizität gewinnen. Dass Sonneborn viel fundierter aus dem Parlament berichtet und gemeinsam mit seinem Personal auch viel mehr und nachhaltige Aktionen startet, steht auf einem anderen Blatt Papier und wird hier demnächst ausführlich verhandelt werden.