Nico Semsrott: „Wir sind die Frage!“
Ab Juli sitzt Nico Semsrott für die Satirepartei Die Partei im Europaparlament. kulturnews sprach mit dem Kabarettisten über Depression und Aufbruch.
Sein Markenzeichen ist der Kapuzenpullover, seine Rolle die des Demotivationstrainers. Jetzt zieht Nico Semsrott neben Martin Sonneborn für Die Partei ins Europaparlament. Mit ihm erfährt die Satirepartei auf einen Schlag einen gewaltigen Schub der Ernsthaftigkeit.
Nico, 2010 hast du gesagt: „Die Depression ist repräsentativ für meine Generation. Das Resignative meiner Figur ist genau das, was ich spüre, wenn ich mit Gleichaltrigen spreche.“ Gilt das so noch immer?
Nico Semsrott: Ich glaube, die Jüngeren versuchen gerade was. Ansonsten ist mein gleichaltriges Umfeld mittlerweile total politisch. Überfordert, aber nicht resigniert. Es ist nicht so leicht, Pauschalaussage zu treffen. Das war vor 9 Jahren noch leichter. Ich tue mich ohnehin schwer mit dem Begriff „Generation“. Ideen verbinden viel mehr als das Geburtsjahr.
Das merkte man auch bei der Wahl. Neben den Grünen befindet sich in Deutschland auch die Satirepartei Die Partei bei allen jungen Menschen in einem enormen Aufschwung. Resignation ist was anderes, oder?
Semsrott: Die Partei ist ein Kompromiss zwischen Aufgeben und Versuchen. Eines unserer Mottos was „Besser als Nix“. Es gibt schon viele Gründe, pessimistisch in die Zukunft zu gucken, gerade in Sachen Klimaerwärmung passiert nix. Und man sollte nicht so tun, als ob die Grünen jetzt 50 Prozent geholt hätten. Die meisten Menschen haben den Schuss noch nicht gehört.
Über Die Partei hast du gesagt: „Never ever sind wir die Lösung“. Was genau seid Ihr?
Semsrott: Die Frage. Und die wird gerade überall völlig zurecht diskutiert.
Wer oder was ist überhaupt die Lösung?
Semsrott: In einer Demokratie ist das immer der Kompromiss, aber in einer funktionierenden Demokratie auch immer die Umsetzung des Wählerwillens. Und da sehe ich das größte Problem: Die Menschen sind politischer als die Politik. Hunderttausende Menschen demonstrieren für Bürgerrechte, Umweltschutz, gegen Rechts, und in der Politik gibt es viel zu wenig Repräsentanz dafür.
Die Ökologie hat bereits seit Jahrzehnten ihre Heimat bei den Grünen. Warum findet linke Politik keine Wähler mehr?
Semsrott: Ich glaube wirklich, das ist in Europa auch ein demographisches Problem. Wenn auf einen Erstwähler zwei Letztwähler kommen, gibt es keinen Druck von den Jüngeren, um die Gesellschaft zum Umsetzen neuer Ideen zu zwingen. Es ist absurd, wie Industrie und Politik gemeinsam an Technologien festhalten, die keine Chance mehr haben.
Eine Frage zu dir: Im Moment sehe ich keine Tourauftritte auf deiner Homepage. Wann wird es wieder Auftritte geben?
Im Europäischen Parlament. Einfach den Sitzungskalender angucken. Ansonsten unter www.president2019.eu auf meinem Youtube-Kanal.
Interview: Jürgen Wittner