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Nightwish: Dieses Kribbeln im Bauch

Nightwish
Nightwish (Foto: Nuclear Blast)

Mit Nightwish verhandelt Tuomos Holopainen die ganz großen und schweren Themen. Doch der Komponist der finnischen Metalband hat auch ungeahnte Leidenschaften.

Tuomas, das Nightwish-Doppelalbum „Human.:II: Nature.“ startet mit dem Stück „Music“, einer Art Abriss der Musikgeschichte seit Anbeginn der Menschheit. Was soll das?

Tuomas Holopainen: Ist es nicht faszinierend, darüber nachzudenken, wie die Musik geboren wurde? Das erste Instrument war die Percussion, in Form eines Holzstocks, mit dem auf den Feuerstein geklopft wurde. Dann kam die Flöte, gebaut aus einem Knochen.

Wärst du gerne dabei gewesen?

Holopainen: Nur für kurze Zeit. Die Menschen wurden nicht alt, sie sind schnell erkrankt und gestorben. Aber aufregend wäre es natürlich schon, das Morgengrauen der Menschheit mitzuerleben. Ich stelle mir die frühe Musik sehr wütend und brachial vor, jedenfalls nicht sehr melodisch.

Bist du jemand, der ständig Musik hört?

Holopainen: Nein, gar nicht. Ich brauche Ruhe. Insbesondere, wenn ich schreibe und ein Album mache, lenkt mich Musik nur ab. Ich verfolge auch nicht groß, was so passiert. Die ganzen Trends laufen an mir vorbei. Als Teenager habe ich permanent Musik gehört und praktisch jede Woche eine neue, spannende Band gefunden. Heutzutage ist das leider nicht mehr so.

Weil du älter und saturierter geworden bist, oder weil die Musik nichts mehr taugt?

Holopainen: Weiß ich nicht, vielleicht eine Mischung aus beidem. Ich gucke jedenfalls lieber Filme und Talkshows. Und am allerliebsten lausche ich der Stille.

Du wohnst also nicht zentral in Helsinki?

Holopainen: Nein, ich lebe auf dem Land im Osten Finnlands. Da ist es wunderbar ruhig und äußert idyllisch. Wir haben sogar einen kleinen See.

Und wie es sich für einen Finnen gehört, springst du da bei jedem Wetter rein?

Holopainen: Nur im Sommer. Im Winter ist mir das zu kalt. Ich verstehe die Idee dahinter, durch ein Loch im Eis in den See zu klettern, um dieses Kribbeln zu kriegen, aber ich bleibe lieber in der Sauna sitzen. Ich habe einfach keine Lust, auf dem Weg zum Eisloch zu erfrieren.

Wo bekommst du stattdessen dein Kribbeln?

Holopainen: Beim Komponieren. Ich fange jeden Morgen um 9 Uhr an zu arbeiten, sitze mit meinem Kaffee allein an den Gerätschaften, und wenn mir die perfekte Melodie für einen Refrain einfällt, dann genieße ich diesen schönen Moment voller stiller Freude. Dieses befriedigende Gefühl ist der Hauptgrund, warum ich überhaupt Musik mache.

Auf dem neunten Studioalbum von Nightwish, das 80 Minuten lang ist und sich in einen Teil mit Gesang („Human“) und einen ohne („Nature“) gliedert, geht es um Leben und Vergänglichkeit; um den Menschen im Verhältnis zur Natur. Das sind schon die ganz dicken Bretter des für Populärmusik möglichen Themenspektrums.

Holopainen: So ist es. Die großen Fragen haben mich schon immer am allermeisten gereizt. Auf dem vorherigen Album „Endless Forms most beautiful“ beschäftigen wir uns intensiv mit Wissenschaft und Evolution, und bei den neuen Liedern setzt sich das fort. Die Überlegungen waren einfach zu groß für eine einzige Platte.

Damals hat der berühmte Evolutionsbiologe Richard Dawkins einige Passagen eingesprochen, für das neue Werk wolltet ihr seinen Kollegen Sir Richard Attenborough gewinnen. Warum hat das nicht geklappt?

Holopainen: Attenborough wollte leider nicht. Er wäre der einzige gewesen, der Dawkins hätte toppen können, und ich habe ihn wirklich eindringlich darum gebeten. Er hat mir einen von Hand verfassten Brief geschickt, in dem er freundlich abgesagt und uns alles Gute gewünscht hat.

Die Platte quillt fast über vor Dramatik und Dynamik, die mal symphonisch, laut und hart, mal weich und melodisch ist.

Holopainen: Das ist wie das Leben auf diesem Planeten als solches. Licht und Dunkelheit, die Schönheit und die Melancholie liegen oft ganz nah beieinander.

Wie denkst du über unsere Zukunft?

Holopainen: Ich bin eine wirklich optimistische Person – und damit ein typischer Finne. Bei einer Umfrage ist herausgekommen, dass Finnland das glücklichste Land der Welt ist. Vieles verbessert sich. Die menschliche Rasse hat so viel Potenzial für Empathie und Altruismus. Gerade in heftigen Krisen wie der aktuellen zeigt sich doch, wie sehr wir dazu fähig sind, Gutes zu tun und uns gegenseitig beizustehen.

Die Grundausrichtung deiner Musik ist sehr ernsthaft. Bist du eigentlich auch für lustige Sachen zu haben?

Holopainen: (lacht) Ich liebe Disneyland. Das ist eine kommerzielle Hölle, aber alle paar Jahre muss ich da einfach für ein paar Tage hin.

Interview: Steffen Rüth

Human.:II: Nature. erscheint am 10. April.

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