Nilam Farooq: Weltfremde Volltrottel!
In der Komödie „Contra“ muss sich Nilam Farooq gegen Vorurteile erwehren. Doch wie wehrt man sich in der Realität? Wir haben Farooq gefragt.
Nilam Farooq, in der Komödie „Contra“ spielst du deine größte Rolle bisher. Was war das Schwierigste daran, in einem so großen Film die Hauptverantwortung zu tragen?
Nilam Farooq: Das Schwierigste war im Grunde der Druck, den ich mir selber gemacht habe. Mir war dieses Projekt von Anfang an so wahnsinnig wichtig und ich wusste, dass meine Performance ausschlaggebend für den Film sein würde. Das macht es nicht unbedingt einfacher. Gleichzeitig war das aber auch genau die riesige Chance, die ich mir so lange schon gewünscht hatte. Eine wichtige Rolle, mit einem tollen Buch; ein Regisseur wie Sönke Wortmann, der Filme wie „Das Wunder von Bern“ oder „Der Vorname“ gemacht hat, ein so fantastischer Kollege wie Christoph Maria Herbst. Die Freude und Dankbarkeit über diese Chance hat eigentlich immer überwogen.
Christoph Maria Herbst hat das Image des Vorzeigespießers im deutschen Film– wie war er so aus nächster Nähe?
Nilam Farooq: Christoph ist sowohl beruflich als auch privat einfach eine bemerkenswerte Person. Für mich war wirklich jeder einzelne Drehtag mit ihm ein Erlebnis. Entweder es war lustig oder es war schlau, oder ich habe von ihm gelernt oder oder, oder. Ich hatte großen Respekt davor, mit einem solchen Namen so intensiv zu arbeiten, aber Christoph hat mir schon beim Casting ein so bestärkendes und warmes Gefühl gegeben, was bis heute anhält, wenn wir uns sehen.
Wie decken sich die rassistischen Erfahrungen deiner Filmfigur mit deiner Realität?
Farooq: Die außergewöhnliche Tatsache, dass meine Mama Polin und mein Papa Pakistani ist, hat die Leute immer mehr interessiert, als dass sie sofort irgendwelche Bilder oder Vorurteile im Kopf hatten. Ich denke, das war mein Glück. Natürlich habe ich Alltagsrassismus erfahren und erfahre ihn bis heute. Die harten rassistischen Erfahrungen habe ich allerdings selbst nur bei Freunden mitbekommen.
Du warst auf dem Goethe-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf, hast das große Latinum und das Graecum. Du bist für Rassisten mit ihren Vorurteilen eine ganz schöne Enttäuschung!
Farooq: Und ganz schön stolz drauf, noch nie war ich lieber eine Enttäuschung! Und noch viel wichtiger: Ich bin nicht alleine und gar keine Ausnahme. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie enttäuschend sich diese Tatsache für diese weltfremden Volltrottel anfühlen muss. Blöd, wenn die eigene Wahrnehmung einer faktischen Realität zum Opfer fällt. Aber Mitleid habe ich mit diesen Menschen nun auch nicht – es hat ja jeder die Chance, seine Haltung zu überdenken.
Sollte man eine verpflichtende Vorführung des Films für die AfD- Bundestagsfraktion ansetzen?
Farooq: Alleine aus Schadenfreude darüber, dass die AfD sich unseren Film angucken müsste, würde ich das feiern. Andererseits würde ich, wenn es möglich wäre Verpflichtendes bei dieser Partei anzusetzen, ganz woanders anfangen. Wie wäre es mit Respekt, Umgangsformen, Grips oder Menschlichkeit?
Was für ein Zusammenleben wünscht sich Nilam Farooq für alle Menschen aller Religionen, Hautfarben und Nationen in Deutschland?
Farooq: Die Frage für mich ist nicht, was das für ein Zusammenleben sein muss. Es geht doch darum, dass es überhaupt ein Zusammenleben gibt – und nicht, wie aktuell viel praktiziert, ein Gegeneinanderleben! Respekt füreinander, ein modernes angepasstes Weltbild und allen voran: Neugierde, Sensibilität und Empathie für die Geschichte deines Gegenübers, egal wer das ist. Die Fähigkeit, sich selbst in seinen Vorurteilen zu korrigieren. Und einfach nur die Einsicht, dass ein Mensch immer ein Mensch ist und es an unveränderbaren Merkmalen oder selbstbestimmten Entscheidungen eines anderen nichts zu rütteln und zu ver/beurteilen gibt und jemals geben darf. Niemand ist mehr wert als jemand anders.
Interview: Volker Sievert