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Anders als gelacht

Norah Jones
Norah Jones (Foto: Diane Russo)

Eigentlich wollte Norah Jones noch gar kein neues Album veröffentlichen. Doch die Umstände waren einfach danach …

Norah, in unserem letzten Gespräch vor vier Jahren hast du die damals noch als wenig wahrscheinlich geltende Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Horrorszenario bezeichnet. Wird der Alptraum im Herbst vorbei sein?

Ich würde gerne eine einfache Antwort geben, aber es existiert leider keine. Um ehrlich zu sein, weiß niemand, ob die Farce im November wirklich beendet sein wird. Es gibt so viele Unwägbarkeiten.

Hat es dich überrascht, wie seine Präsidentschaft bisher verlaufen ist?

Ja und nein. Ich gehöre zu den Menschen, die es bis heute nicht fassen können, dass jemand wie er ein ganzes Land führt. Bei seinen schrecklichen Corona-Pressekonferenzen kann ich schon längst nicht mehr hinsehen, so scheußlich ist das alles. Er hat es tatsächlich geschafft, meine Erwartungen im negativen Sinne zu übertreffen. Ich habe immer gehofft, die Dinge würden sich aufhellen und er würde etwas dazulernen, irgendwas – aber das ist nicht einmal ansatzweise gesehen.

New York, die Stadt, in der du lebst, hat schwere Monate hinter sich. Hellen sich bei euch denn wenigstens die Dinge auf?

Nur sehr zögerlich. Da draußen ist es immer noch dunkel und eigenartig, obwohl so langsam der Sommer Einzug hält. Man hat das Gefühl, irgendetwas lauere in den Straßen – was ja irgendwie auch so ist. Ich fühle mich seit vielen Wochen ängstlich und traurig.

Was wirst du machen, wenn alles wieder entspannter wird?

Sicher nicht gleich in die Clubs stürmen (lacht). Das mache ich ja auch unter normalen Umständen nicht. Ich freue mich darauf, endlich wieder so richtig Musik mit anderen Menschen machen zu können und vielleicht auch mal wieder zum Abendessen in ein Restaurant zu gehen.

Bist du eine begabte Heimlehrerin?

Meine Kinder sind sechs und vier und überhaupt nicht begeistert von meinen Qualitäten. (lacht) Im Großen und Ganzen versuche ich, die Kids davon abzuhalten, mich in den Wahnsinn zu treiben. Man ist ja jetzt wirklich ohne Unterbrechung zusammen, und die Schule hat uns extra eingebläut, den Kindern auch wirklich etwas beizubringen. Naja, sagen wir, ich gebe mein Bestes.

Zeig‘ ihnen doch, wie man Piano spielt.

Theoretisch eine gute Idee. Leider stehen die beiden nicht so richtig aufs Klavierspielen, auch wenn ich sie wirklich nach Kräften zu motivieren versuche.

Mögen sie wenigstens deine Musik?

Sie freuen sich jedenfalls arg, wenn wir unterwegs sind, und in der Drogerie oder sonstwo läuft einer meiner Songs. Ich selbst stelle die Verbindung gar nicht so her. Ich denke immer, da singt jemand anders – aber die beiden wissen sofort, wenn ein Song von mir ist. Dabei kennen sie die meisten Lieder noch gar nicht. Ich setze mich ja nicht mit ihnen hin und sage: So, ihr Lieben, heute hören wir mal sämtliche Alben eurer Mutter chronologisch durch.

Norah Jones: „,Pick me up off the Floor’ war ein wunderbarer Unfall“

Das neueste heißt „Pick me up off the Floor“ und hätte eigentlich gar nicht existieren sollen.

Richtig, es war so eine Art wunderbarer Unfall. Ich habe in den vorangegangen anderthalb, zwei Jahren ohne Druck und ohne größeren Plan einfach Lieder mit vielen unterschiedlichen Musikern wie etwa Jeff Tweedy von Wilco aufgenommen und sie vor einem Jahr als eine Art Songsammlung auf dem Album „Begin again“ vereint. Aus diesen Sessions waren noch so viele ungenutzte Aufnahmen übrig, und ich hätte es schade gefunden, sie nicht zu veröffentlichen. Ich bin also das komplette Material durchgegangen und habe gemerkt, dass ich es zu einem ganz eigenen Organismus verweben kann.

Es ist viel von Liebeskummer die Rede. „Heartbroken. Day After“, „Hurts to be alone“ und „How I weep“ klingen allesamt nicht gerade fröhlich. Ist irgendwas mit deiner Ehe?

Wir alle erleben Dinge, die uns dem Liebeskummer nahebringen: mal mehr, mal weniger intensiv, mal oberflächlich, mal wirklich verletzend. Selbst innerhalb einer grundsätzlich funktionierenden Beziehung ist nicht alles immer rosig.

Wie gehst du denn mit Beziehungsschwierigkeiten um?

Weiß nicht. Wenn möglich wie eine erwachsene Frau. Als Trostspender funktioniert bei mir immer die Musik. Songs schaffen nichts aus der Welt, aber sie sind mir stets treue Begleiter gewesen und unterstützen den Heilungsprozess ungemein.

Kannst du gut alleine sein?

Jones: Im Moment sehne ich mich sehr danach. (lacht) Die wenigen Momente, die ich ganz für mich habe, weiß ich mehr denn je zu schätzen. Aber natürlich kann das Alleinsein hart sein. Manchmal vermissen wir die Einsamkeit, manchmal drückt sie schwer auf unsere Seele.

In „I’m alive“ geht es um Selbstbehauptung. Ist das Lied dein feministisches Manifest?

So würde ich es nicht ausdrücken. Der Song ist eher beobachtend. Ich schaue den Frauen zu, die kämpfen und sich gegen Unfairness wehren.

Du hast sehr jung im Musikbusiness angefangen. Bist du je diskriminiert oder sexuell belästigt worden?

Nein. Ich hatte großes Glück. Ich lese und höre all diese schrecklichen Geschichten, aber auch wenn in meinem Umfeld Frauen massiv in der Unterzahl gewesen sind, habe ich mich nie von Männern herabgewürdigt oder weniger wertgeschätzt gefühlt. Ich wurde nie übergriffig behandelt, nie klein gemacht.

Bist du eine Feministin?

Das kann ich nicht beantworten, die Frage habe ich mir nie gestellt. Ich bin mit einer sehr starken, mutigen Mutter aufgewachsen und war umgeben von wundervollen, ja gütigen, Männern. Das, was sich andere Frauen erstreiten mussten, war für mich immer schon da.

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