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Norbert Gstrein: In der freien Welt

John war trockener Alkoholiker, amerikanischer Jude, Freiwilliger 1982 im Libanon-Krieg, Schriftsteller, Künstler. John ist tot, erstochen in einer kleinen Seitenstraße in San Francisco, aber nicht ausgeraubt. Als sein Freund Hugo – ein Schriftsteller aus Österreich – vom Mord erfährt, begibt er sich auf Recherchereise. Doch je mehr wir durch Freunde, Ex-Frauen und Bekannte und Verwandte über den selbsternannten „Muskeljuden“ erfahren, desto weniger wissen wir über ihn, je mehr Fakten Norbert Gstrein uns liefert, desto brüchiger wird das Bild. John, schon als Fünfjähriger durch die Schläge seiner knapp dem KZ entronnenen Mutter traumatisiert, hatte im Libanon-Krieg seine zweite Traumatisierung erfahren. Dass er einmal mit dem jungen Palästinenser Marwan gemeinsam auf einer literarischen Veranstaltung in Österreich gelesen hat, ist die Verbindung zum zweiten Strang des Romans: dem nach Israel und Palästina. Was Gstrein uns mit seinem neuen Roman erzählen will, ist nicht klar. Ist es ein Beitrag zum israelisch-palästinensischen Konflikt der letzten Jahrzehnte? Dafür verlieren sich beide Stränge dann doch zu sehr, auch fehlt dafür ein Motiv von Seiten des Helden. Ist es das Porträt eines in seiner Traumatisierung eitel selbstverliebten Menschen, der nun leider tot ist? Dafür ist der Palästina-Teil des Romans zu stark. Ist es die Frage nach dem Warum des Mordes? Die immerhin stellt Hugo. Doch sie wird – so viel sei verraten – nicht beantwortet. „In der freien Welt“ ist ein extrem kurzweiliger Roman, den man am Ende ratlos zuklappt.

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