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Online-Aktivismus: Die Welt von zu Hause aus verändern

Die Welt ist im Umbruch - Klimawandel, Corona-Pandemie und Krieg in Europa betreffen uns alle.

Die Medien scheinen sich nur noch mit diesen Themen zu beschäftigen. Andere große Probleme wie Welthunger, Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll oder Artensterben geraten schnell aus dem Fokus. Doch in den sozialen Medien wird darauf aufmerksam gemacht, dank Online-Aktivismus.

Empörung ist nicht genug

Online-Aktivismus ist nicht gleichzusetzen mit Empörung. SharePics mit Texten wie „Teile dies, wenn Du gegen Gewalt an Kindern bist“, werden von vielen bedenkenlos weitergegeben. Immerhin steckt zwischen den Zeilen die Botschaft „wenn Du es nicht teilst, bist Du nicht dagegen.“ Fake-News verbreiten sich auf dieselbe Weise wie ein Lauffeuer. Anstatt mit wenigen Klicks den Wahrheitsgehalt der Meldung zu überprüfen, wird diese empört geteilt. Irgendwann beweist die Aussage scheinbar sich selbst, weil sie x-mal im Internet gesehen wurde. Abgesehen davon, dass oftmals Fotos zum Einsatz kommen, bei denen das Urheberrecht zumindest unklar ist, wird schnell ein weiterer Straftatbestand erreicht, wenn Foto und Text in einer Form kombiniert werden, die suggeriert, dass es sich um ein Zitat der abgebildeten Person handelt. Ziel solcher Aktionen ist hauptsächlich, dem Ersteller des SharePics eine enorme Reichweite zu verschaffen. Oft lässt sich nur vermuten, wer dahintersteckt und zeitnah andere Botschaften nachschiebt. Die Welt hingegen wird dadurch kein bisschen besser.

Aktivismus will mehr

Aktivismus hat ein konkretes Ziel. Jemand wird aktiv, weil er etwas verändern möchte, auf politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Ebene, die Umwelt oder die Menschenrechte betreffend. Der Aktivist engagiert sich nicht in der Politik, sondern organisiert Proteste, Demonstrationen, Menschenketten, Mahnwachen oder Sitzblockaden, um auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen. Je mehr Menschen erreicht werden und sich der Aktion anschließen, desto größer wird der Druck auf die Entscheidungsträger. In der „realen Welt“ organisieren sich Aktivisten in sozialen Bewegungen bis hin zu Nichtregierungsorganisationen (NGO), um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Ein Beispiel ist der über zehn Jahre dauernde Kampf um den Hambacher Forst durch Waldbesetzung. Nicht jeder kann oder will in ein Baumhaus ziehen und nicht alle Probleme sind uns so nah, dass Aktivität am Ort des Geschehens möglich ist. An dieser Stelle setzt der Online-Aktivismus an. Oft ergänzt er bestehende Bewegungen und gibt auch den Menschen die Möglichkeit, sich den Aktionen anzuschließen, die nicht live dabei sein können.

Facettenreicher Aktivismus

Online-Aktivismus kann auf unterschiedliche Weise betrieben werden. Je nach Ziel und Zielgruppe bieten sich an:

  • Petition: Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Bittschrift, Ersuchen, Beschwerde. Eine Petition ist meist an eine bestimmte Behörde oder Volksvertretung gerichtet. In Deutschland gibt es derzeit die Hürde von 50.000 Unterstützern einer Petition innerhalb von 4 Wochen, damit diese vom Petitionsausschuss des Bundestages beraten wird. Petitionsnetzwerke wie Campact oder change.org unterstützen die Erstellung einer Petition, sorgen für ihre Verbreitung und garantieren ein hohes Maß an Datensicherheit.
  • Hashtag: Er markiert ein Schlagwort mittels Raute. Wer nach einem bestimmten Hashtag sucht, wird automatisch auf alle mit diesem Schlagwort markierten Einträge hingewiesen. Das funktioniert innerhalb einzelner Medien wie Twitter oder Instagram ebenso wie bei den Online-Ausgaben großer Magazine und Tageszeitungen. Inzwischen haben Hashtags neben der Schlagwortsuche eine weitere Bedeutung erlangt – sie weisen auf bestehende Probleme hin, wie z.B. das erwähnte #meetoo.
Protest gegen Schwarze Leben. Schwarz-weiße Person, die Händchen hält für die Einheit zwischen den Rassen.
© stock.adobe.com/Jacob Lund
  • Aktionstage und -wochen: Ein vorher bekanntgegebener Tag oder Zeitraum wird von möglichst vielen Menschen für eine Aktion genutzt. Besonders bekannt sind Tage wie der Black Friday, der Cyber Monday oder aber auch weniger kommerziellere Aktionen wie die Fashion Revolution Week, in der jedes Jahr im April Verbraucher die Modelabels in den sozialen Medien fragen: #whomademyclothes – Wer hat meine Kleidung gemacht?
  • Profilbildgenerator: Es mag banal klingen, doch auch die Verwendung eines besonderen Rahmens oder Profilbildes in den sozialen Medien zählt zum Online-Aktivismus. Der Anwender bezieht eindeutig Stellung und inspiriert andere, es ebenfalls zu tun. Dadurch wächst das Gefühl „wir sind mehr“ – ein häufig verwendeter Rahmen für Profilbilder auf Facebook.
  • Webinar: Eine Art der Aufklärung, die durch Corona und die Kontaktbeschränkungen an Bedeutung gewonnen hat. Experten erklären online z.B. Ursachen und Folgen des Klimawandels und rufen zu konkreten Maßnahmen auf.
  • Crowdfunding: Sinngemäß übersetzt ist die „Gruppenfinanzierung“ eine besondere Form des Online-Aktivismus. Das Eigenkapital für die Verwirklichung einer Geschäftsidee wird mit Hilfe vieler Online-Unterstützer (der Crowd) zusammengetragen, die dafür bei Projekterfolg z.B. einen vorher festgelegten Anteil an den Produkten erhalten. Das können fair geerntete Vanillestangen sein, ein künstlerisches Projekt oder intelligente Kopfhörer. Eines der bekanntesten Crowdfunding-Projekte lange vor dem Internet war der Bau der New Yorker Freiheitsstatue, finanziert von den Bürgern der Stadt.

Die großen Themen

„Fridays for Future“ (FFF) verbinden viele mit Schülern, die für ihre Zukunft auf die Straße gehen. Aus dem Schulstreik eines einzelnen Teenagers wurde eine weltweite Bewegung für den Klimaschutz. Diese findet größtenteils auf der Straße statt, aber auch online kann man sich ihr anschließen. Auf allen Social Media Plattformen finden wir regionale Accounts der jungen Klimaschützer. Sie berichten über ihre Ziele und Aktionen, über Gespräche mit Politikern und informieren über die nächsten Streik-Termine. Dadurch schaffen sie eine Nähe und Verbundenheit zu Menschen aus der Region. Wer selbst nicht an den Streiks teilnimmt, unterstützt diese, indem er liked, teilt und so die Aufmerksamkeit weiterer Menschen auf die Bewegung und ihre Ziele lenkt.

„Black Lives matter“ wurde 2013 in den USA von drei farbigen Frauen gegründet, nachdem der Wachmann George Zimmerman freigesprochen worden war, der den afroamerikanischen Schüler Trayvon Martin erschossen hatte. Unter dem Hashtag #BlackLivesMatter fand die Bewegung gegen Rassismus Beachtung in den sozialen Medien. Diese nahm zu, als es nach dem Tod weiterer Afroamerikaner durch Polizeigewalt zu Demonstrationen kam. Obwohl „Black Lives matter“ bis heute eine dezentrale Bewegung ist, hatte sie Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA, als sie die Kandidaten aufforderte, zum diesem Thema Stellung zu beziehen.

Viele weitere wichtige Themen bleiben durch OnlineAktivismus präsent. z.B. Seenotrettung im Mittelmeer, Mutterschutz für Selbstständige oder Freiheit für im Ausland inhaftierte Journalisten.

fridays for future protest auf der stadtstraße - junge aktivistenbewegung gegen die globale erwärmung
Foto: © stock.adobe.com/Carlo

Pro!

Wer Online-Aktivismus betreibt, tut dies in der Hoffnung und mit dem guten Gefühl, die Welt in seinem Sinne beeinflussen zu können:

  • Man ist nicht passiv den Ereignissen ausgeliefert, sondern wird selbst aktiv.
  • Man fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft, das gibt Bestätigung und Mut.
  • Man bündeln viele kleine Kräfte, bis daraus eine große, bewegende Kraft wird.

Das gilt nicht nur für die Initiatoren einer Bewegung, sondern auch für diejenigen, die diese online unterstützen.

Kontra?

Kritiker werfen den Online-Aktivisten vor, dass z.B. Online-Petitionen von vielen Menschen ebenso spontan unterschrieben werden, wie die oben erwähnten SharePics geteilt. Wahrscheinlich haben manche der Unterzeichnenden sich tatsächlich nicht mit dem Thema auseinandergesetzt, sondern aus einem Gefühl heraus mitgemacht. Trotzdem gibt es einen relevanten Unterschied zu den SharePics: Die Ersteller der Petition verfolgen ein konkretes und nachvollziehbares Ziel. Und sie benötigen eine bestimmte Anzahl von Unterzeichnern, um die Petition einreichen zu können. Jeder Teilnehmer bringt sie der Überwindung dieser Hürde einen Schritt näher, egal ob und wie lange derjenige über die Initiative nachgedacht haben mag.

Eine weitere Gefahr ist, dass Menschen sich Initiativen anschließen, deren Ziele bewusst unklar formuliert wurden, um möglichst viele anzusprechen. So entstanden beispielsweise im Zusammenhang mit den „Montagsspaziergang“ genannten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen neue Bewegungen, die Vorgaben, für alle da zu sein und Spaltung verhindern zu wollen. Wer sich nicht die Mühe machte, nach den Gründern zu suchen, dem entging, aus welchem politischen Lager diese kamen.

Fazit

Online-Aktivismus ist eine moderne Form, auf gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und ökologische Probleme aufmerksam zu machen. Jeder Einzelne kann durch seine Teilnahme an einer Bewegung zur Beseitigung der Missstände beitragen. Dabei ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Problematik hilfreich und wünschenswert.

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