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Panjabi MC

Rajinder Rai nennt sich Panjabi MC und ist ein Pionier der britischen Bhangra-Szene. Er mixt Pop-Samples mit indischen Beats und rappt dazu in klassischer Panjabi-Lyrik, der er auch seinen Künstlernamen verdankt. Das setzte mit „Mundian to bach Ke“ einen satten Topten-Hit – obwohl er darin Mädchen vorm Sex warnt …

_ulysses: Rajinder, nach fast zehn Jahren Musik bist du plötzlich ein Popstar. Kannst du das schon begreifen?

Rajinder Rai: Nicht richtig. Es war sicher hilfreich, dass ich schon so lange Musik mache und mich dadurch langsam ans Business gewöhnen konnte. Aber natürlich hat mich der Erfolg geschockt.

_ulysses: Wie hat sich dein Leben seitdem verändert?

Rai: Auf angenehme Art: Ich wohne in Luxushotels, jeden Abend gibt’s Schampus, Koks und Girls … Quatsch! Es hat sich überhaupt nichts verändert. Ich lebe in meiner kleinen Wohnung, produziere Musik.

_ulysses: Aber das macht jetzt vermutlich mehr Spaß, oder?

Rai: Klar. Herumzujetten, Interviews zu geben, zu wissen, dass ge-rade Leute überall auf der Welt meine Tracks hören: Das ist schon cool.

_ulysses: Wer hilft dir bei der Bodenhaftung?

Rai: Niemand. Ich sehe mich einfach nicht als Popstar. Ich bin nur ein Arbeiter im Musikgeschäft. Und ich schufte hart. Denn nur, wenn du gut bist, hast du Erfolg. Ich sehe das als einen Handel – zwischen mir und meinen Fans.

_ulysses: Die Asian Dub Foundation hat eine politische Botschaft, Cornershop setzen auf Spaß. Was steht auf deinem Fähnchen?

Rai: Meine Songs drehen sich um Herkunft, Kultur, Identität. Und um die Gefühle eines Typen, der sich als Kind ziemlich verloren zwischen den Kulturen vorkam. Auf der einen Seite waren meine Eltern, auf der anderen meine englischen Schulfreunde. Meine Eltern waren total streng, in der Schule dagegen ging es ziemlich locker zu. Ich wuchs also in einer Welt mit zwei Prinzipien, zwei Anschauungen und zwei Kulturen auf. Schon seltsam.

_ulysses: Stimmt das Gerücht, dass du das Geld, das dein Vater ei-gentlich für dein Studium gespart hatte, in einen Sampler investiert hast? Das klingt nach Ärger …

Rai: Ja, ich sollte eigentlich studieren, einen tollen Job bekommen, heiraten, Kinder großziehen. Ich wollte aber Musik machen. Klar: Das gab höllischen Ärger.

_ulysses: Nicht nur mit deinem Vater. Dein Debüt „Rootz“ wurde von indischen Traditionalisten als schwere Provokation empfunden.

Rai: Ich habe religiöse Texte mit fetten Beats gemixt. Das hat mir den Zorn einiger Fundamentalisten eingebracht. Da war ich noch etwas naiv …

_ulysses: Auf der einen Seite zeigst du dich urban und locker. Auf der anderen warnst du auf „Mundian to Bach Ke“ die Mädchen vor vorehelichem Sex. Klingt konservativ.

Rai: Auf den ersten Blick vielleicht. Aber Stücke auf Panjabi haben immer mindestens zwei Bedeutungsebenen. Das Spiel mit Worten und Bedeutungen ist Tradition in der Panjabi-Poetik. Da es immer strikte Moralwächter in der indischen Musik gab, hat sich eine kodierte Sprache entwickelt, um bestimmte Dinge zu umschreiben. Wenn es in einem Text zum Beispiel darum geht, eine Frucht aufzuschneiden, kann das zum Beispiel bedeuten, heißen Sex zu haben. Mehr sage ich dazu aber nicht. (lacht)

_ulysses: Okay … Inzwischen hat sogar Jay-Z zu „Mundian …“ ge-rappt. Wie das?

Rai: Eines Tages rief er mich an und meinte: „Hey Mann, dein Song rockt!“ Er erzählte mir von seinen Plänen. Ich fand das großartig, weil durch ihn eine Menge Leute den Song hören und Bhangra-Musik kennenlernen werden.

_ulysses: In Europa bist du ein Star. Kennt man dich auch in Indien?

Rai: Oh, ja! Wenn ich in unser Dorf komme, verehren sie mich wie einen König! Die halten mich für Elvis! Aber um ehrlich zu sein: In Indien hört niemand Bhangra-Musik. Panjabi ist eine Minderheiten-sprache, außerdem hinken sie in Indien hinterher. Dort stehen sie gerade auf Rock ’n’ Roll.

Interview: Stefan Woldach

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