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Pat Metheny über „MoonDial“: Honeymoon mit der Baritongitarre

Pat Metheny BMG
(Foto: BMG)

Er ist seit Jahrzehnten der vielleicht melodischste Gitarrist in der Weltliga des Jazz. Jetzt kommt Pat Metheny mit einem Soloalbum um die Ecke, das er selbst gar nicht geplant hatte.

Pat, wie ist es zu „MoonDial“ gekommen?

Pat Metheny: Das war selbst für mich überraschend. Alles hat an mit dem vorherigen „Dreambox“-Album angefangen, das mir die Gelegenheit gegeben hat, auf Tour zu gehen. Und dann war da diese Bariton-Gitarre – eigentlich weniger eine Gitarre als mehrere Streichinstrumente: Geige, Viola und Cello. Ich hatte das Gefühl, für ein Streichquartett zu schreiben. Dann habe ich gedacht, dass eine Baritongitarre mit Nylonsaiten dieser Idee am nächsten kommt. Ich hatte so ein Instrument, aber nie Saiten gefunden, mit denen man dieses Ding wirklich gut spielen konnte. Kurz bevor ich auf Tour gegangen bin, habe ich dann eine Firma gefunden, die die Saiten herstellt, nach denen ich gesucht hatte. Ich habe sie auf die Gitarre gezogen, die jahrelang in der Ecke gestanden hatte. Stück für Stück habe ich sie auf der Tour immer öfter gespielt. Und jede Nacht habe ich die Gitarre mit ins Hotelzimmer genommen. Das war so ein bisschen wie Honeymoon, und ich dachte: Das musst du aufnehmen.

Synthesizer, Monstergitarren mit 42 Saiten, mechanische Instrumente – für dich scheint Musik ein Spielplatz zu sein.

Metheny: Was ich bisher unternommen habe, war immer das Resultat konzeptioneller Überlegungen. Zum Beispiel die Frage, wie Sound und Storytelling, wie Improvisation und Komposition zusammenhängen. Dass ich Gitarrist bin, hat mir nie viel bedeutet. Klar, ich bin bekannt als der, der sich die Gitarre umhängt. Aber ich sehe die Gitarre als eine Übersetzungshilfe, um meine Musik zu erklären. Seit ich 15, 16 Jahre alt war, habe ich nie viel über das nachgedacht, was ich spiele. Erst dadurch, dass ich jetzt jeden Abend zwei Stunden allein auf der Bühne gesessen habe, habe ich begonnen, das ernst zu nehmen. Meine Beziehung zum Instrument ist viel intensiver geworden.

Wie kam der Beatles-Song „Here, there and everywhere“ aufs Album?

Metheny: Ich bin ja genau die Generation, die mit den Beatles im US-Fernsehen groß geworden ist. Da ist mir zum ersten Mal klar geworden, was eine Gitarre ist. Wenn ich an die neun Jahre denke, in denen diese Band zusammen war, wird mir schwindelig. Bei den Beatles war kein einziger Song wie der andere, ihre Kreativität war einzigartig. „Here, there and everywhere“ ist jetzt ein Standard. Songs werden zu Standards, wenn sie einen robusten Charakter haben, der es jedem erlaubt, alles damit anzustellen. Denk an Theolonius Monk. Wenn irgendjemand die richtige Melodie von „Round Midnight“ spielt, ist Monk im Raum. Diese Qualität haben die meisten Beatles-Songs auch.

Kritiker beschreiben dich als einen sehr melodisch zu Werke gehenden Musiker. Gehst du da mit?

Metheny: Was ist melodisch? Wenn es um Harmonien geht, kannst du sie jahrelang auf dem College auseinandernehmen. Das gleiche gilt für den Rhythmus. Aber die Melodie, das ist der unergründlichste Aspekt der Musik. Eine Melodie kann in allem Möglichen stecken – selbst in Mülleimern, die die Treppe runterpoltern.

Als ich dich zum ersten Mal live gesehen habe, muss das 1979 oder 1980 gewesen sein – in einem kleinen Klub in Hannover. Kannst du dich an die frühen Tage erinnern?

Metheny: Ich kann mich an die meisten Auftritte erinnern, egal, wie lange sie her sind. Aber frag mich mal, wo ich heute morgen meine Schlüssel hingelegt habe. Ich habe immer alles aufgeschrieben, was mit Gigs zu tun hatte. Aber du wirst bei mir zuhause keine Auszeichnungen finden, weil ich keine Lust habe, an meine Vergangenheit zu denken. Worüber ich nachdenke, ist das Jetzt – vielleicht denke ich an morgen. Ich habe immer überlegt: Wie habe ich heute Abend gespielt? Und: Hoffentlich spiele ich morgen noch besser.

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