Patrick Nuo
Achtung, Teenies: Patrick Nuo, der schönste Popstar Deutschlands, ist Single! Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Er wird es vorerst bleiben.
Früher wollte Patrick Nuo Tennisprofi werden. Schade, er wäre zur Anna Kournikova des Herrentennis geworden. Denn Nuo ist schön. Zu schön, um wahr zu sein, genauer gesagt. Und wer schön ist und toll singt und mit schmissigem Poprock bei Viva und MTV herumturnt wie eine Schweizer Mischung aus James Dean und Robbie Williams, dem wollen rasch die Mädchen an die Wäsche.
Doch Patrick Nuo, 21, will das nicht. No sex, please. Den hat er schon gehabt, aber jetzt will er nur noch mit der Richtigen, und für die hebt der schöne scheue Christ sich auf. „Ich möchte die Zukunft nicht verletzen“, sagt er poetisch. „Ich mag es, die Geschichte auf einem reinen Blatt Papier anzufangen.“
Welch eine Verschwendung! – stünde an dieser Stelle in einer Frauenzeitschrift. Und die seufzende Autorin würde ihn loben dafür, dass er wenigstens sein 900-Leutchen-Bergdorf Gettnau im Kanton Luzern verließ, um hinauszuziehen in die Welt.
Denn Patrick hatte große Träume, damals, im bedrückenden Schatten der Berge. Weg musste er, das war klar, so blendend, wie er aussah, so gut, wie er sang. Zu gut für die Alm. So brach er auf und kam nach Hamburg, um sein Glück zu machen. Dort traf er David Jost, der war was in der Szene. Einst hatte er der Boyband Bed & Breakfast vorgestanden, ihm hatten die Mädchen Teddys und Schlüpfer auf die Bühne geworfen. David wusste, wie die Häschen liefen. Er kleidet sich noch immer wie ein Turnschuh-Teenager, aber irgendwann war er trotzdem zu alt gewesen für den Bravo-Starschnitt. Zum Glück konnte er Songs schreiben und verstand auch was von Kabeln und Konsolen. Drum wurde er Produzent – und hatte wieder Erfolg. Zu seinen Kunden gehören die Corrs, Jewel und Faith Hill.
Als Jost letztes Jahr über den keuschen Schweizer stolperte und gleich dessen Potenzial erkannte, musste er ihn erst mal bremsen. Denn Patrick Nuo hätte am liebsten eine missionarische Erbauungsplatte hingelegt, eine Art Gideon-Bibel des Pop. Jost dagegen hat immer die Charts im Blick. Und zwar wie eine Schlange das Kaninchen.
Beim Interview im kahlen Konferenzraum der Plattenfirma sitzt er mit am Tisch. Nuo braucht noch Beistand. Manchmal grübelt es sichtbar hinter seiner schönen Stirn, und manchmal führt die Mühe nirgends hin. Dann übernimmt Jost. Ein Monsteralbum sollte „Welcome“ werden, sagt er, eins mit vielen Hits und wenig Christlichkeit. Nuo hat das akzeptiert. Immerhin ist er das Küken und Jost der Profi. Aber beim nächsten Album, wenn er mehr zu sagen und zu schreiben hat, soll Gottes Rolle größer sein.
Ein solches Quäntchen Eigensinn reicht dem alten Branchenhasen Jost schon als Beweis, dass sein begabter Schützling ein vorzeigbarer Gegenentwurf zur grassierenden Casting-Welle ist.
„Nach Grönemeyer“, sagt er, „kam in Deutschland nur noch Xavier Naidoo. Ansonsten ist in den letzten Jahren nur auf so was wie RTL2 gesetzt worden. Es ist wichtig, dass mal wieder jemand diesen klassischen Weg des artist development geht und durch gutes Zeug langfristig überzeugt. Aber viele Leute auf der Teenie-Ebene“, grinst er, „werden natürlich auch auf sein Aussehen flashen. Wird nicht gerade hinderlich sein.“
Jost war ein Glücksfall für den Schweizer Jungen, der durch Hamburg gelaufen war mit einem Kopf voller Träume und dem festen Glauben an Gott, Glück und Erlösung – und daran, dass all das irgendwie zusammenhängt. Aber Jost ist sein Gegenteil. Er ist Nuos Mr. Hyde.
Manchmal geht Patrick abends durchs Schanzenviertel, und die Mädchen kreischen. Neben ihm läuft dann David, der fühlt sich pudelwohl in seinem zweiten Leben, er blickt stolz und lüstern, immer auf der Pirsch, gelernt ist gelernt, und die Jungfrau an seiner Seite ist der perfekte Köder.
Nein, Patrick, dieser Schweizer Träumer mit den melancholischen Augen und der langsamen Spreche, der merkt gar nicht, was er alles abgreifen könnte mit seinem Modellgesicht, seinem Workout-Körper und der schüchtern wippenden Tolle.
Aber er, Bed&Breakfast-David, der weiß das, und bei ihm sind die Abgeblitzten in guten Händen. In den besten! Jost grinst und rutscht vergnügt auf seinem Stuhl herum.
Patrick sitzt still da, mustert versonnen seine auf dem Tisch liegenden Hände und fragt sich vielleicht, ob der Schatten der Berge nicht auch etwas Heimeliges hatte. Zu spät. Jetzt rollt der Zug. Mit „5 Days“ gelang ihm der erste Hit, „Reanimate“ heißt sein neuer. Im Clip dazu widersteht er einer blonden Frau im Cabrio, und wir wissen nicht, warum. Bis er am Ende eine unscheinbare Dunkelhaarige küsst, seine Freundin offenbar – Versuchung abgewehrt.
Einer wie er ist halt treu, im richtigen Leben wie im falschen. Doch wie lange wird er den Avancen der realen Teenie-Schwärme widerstehen können? „Ich werde mich bemühen; so doll wie möglich“, sagt er leise und seine Stirn faltet sich vor lauter Aufrichtigkeit. Wenn dieser Typ ein Kunstprodukt ist, dann ist die Erde eine Scheibe.
„Ich würde damit etwas Großes aufgeben“, fährt er fort. „Was mich stärkt, ist die Frau, an die ich glaube. Dass ich ihr treu bleibe, ohne sie zu sehen.“ Diese Frau gibt es noch nicht? „Nein. Aber sie ist zumindest irgendwo auf der Welt.“ Blond oder brünett? „Keine Ahnung. Das weiß Gott. Ich weiß das nicht.“
Patrick Nuo muss immer öfter ins Fernsehen, er wirkt schüchtern und sieht süß dabei aus. Ein Mädchentraum. „Auch das Äußere“, sagt er ruhig, „ist ein Geschenk Gottes.“ Und warum macht Gott dann manche Leute abgrundtief hässlich? „Ich weiß nicht, was hässlich ist“, sagt Patrick. „Wer bestimmt, was schön ist?“
David Jost grinst. Und zieht einen zweiten Stuhl herbei, damit er die Füße hochlegen kann.
Matthias Wagner