Quentin Tarantino
Es ist angerichtet: Der zweite Teil der blutroten Samurai-Schlachtplatte „Kill Bill“ läuft an. Tartar à la Tarantino. Der 40-jährige Filmsüchtige wäre jedoch fast nicht zum Starregisseur geworden – wegen seiner Oma. Ging aber gut. Dafür kennt sich Tarantino nun auch im deutschen Fernsehen aus.
kulturnews: Mister Tarantino, wurden Sie von Ihren Produzenten dazu gedrängt, „Kill Bill“ in zwei Teilen ins Kino zu bringen?
Quentin Tarantino: Nein, es war meine Entscheidung. Als ich Harvey die erste Fassung zeigte, sagte ich: Entweder ist dies die erste Hälfte des Films, oder es ist der erste Film. Klar wäre es möglich gewesen, „Kill Bill“ als dreistündige Fassung ins Kino zu bringen, aber ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass der normale Zuschauer nach dem blutigen Ende von „Kill Bill Volume 1“ eine Pause bräuchte. Ich selbst würde mir lieber die Dreistunden-Fassung reinziehen, aber für mich sind Filme auch Drogen, und mich selbst würde ich als Movie-Junkie bezeichnen. Ich verkrafte den Rausch, aber für den normalen Zuschauer kämen drei Stunden „Kill Bill“ einer Überdosis gleich. Aber im Grunde genommen ist „Kill Bill“ auch so konzipiert, dass man ihn sich in mehreren Varianten ansehen kann.
kulturnews: Ihr letzter Film „Jackie Brown“ liegt über sechs Jahre zurück. Wie gehen Sie nach einer so langen Zeit mit der Erwartungshaltung Ihrer Fans um? Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt?
Tarantino: Ich glaube, man darf die Begriffe Erwartung und Druck nicht in einen Topf werfen. Jeder Regisseur steht unter einen immensen Druck, wenn es um Qualität, Zeit und Geld geht. Da ist es völlig egal, ob du dein „Apocalypse Now“ drehst oder nur eine weitere Folge von „Kommissar Rex“. Mit Erwartungen verbinde ich etwas Positives. Mir liegt viel daran, dass die Leute neugierig sind und die Tage zählen, bis der neue Film eines Regisseurs anläuft, den man schätzt. Das war bei mir nicht anders. Ich sah mir jeden Film von Brian De Palma an, und das immer am ersten Tag und mehrmals hintereinander. Das macht Kino erst aufregend.
kulturnews: Wie stehen Sie zu den Angriffen, dass Sie in all Ihren Filmen Gewalt verherrlichen würden?
Tarantino: Wer sich meine Filme ansieht, wird feststellen, dass ich eine gewisse Wut in mir habe, die ich dadurch auslebe. Gleichzeitig funktioniert meine Darstellung von Gewalt für mich wie eine Zündkerze, die meinen Motor antreibt. Im Grunde genommen will ich nur, dass die Zuschauer eine gute Zeit im Kino erleben, und in dieser Hinsicht ist „Kill Bill“ ein riesiger Spaß. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
kulturnews: Sie erwähnten Mal, dass „Kill Bill“ ein sehr persönlicher Film sei. Können Sie das erläutern?
Tarantino: „Kill Bill“ ist in gewisser Hinsicht eine Hommage an all die Filme, die ich schon als Kind mochte. Das waren sowohl Kung-Fu-Filme aus Asien als auch Western aus Italien. Im ersten Teil von „Kill Bill“ beziehe ich mich mehr auf das asiatische Kino meiner Kindheit, der zweite Teil wird eher wie ein Western wirken.
kulturnews: Mit dem amerikanischen Kino konnten Sie damals nichts anfangen?
Tarantino: Erst als Anfang der siebziger Jahre erstmals schwarze Schauspieler die Heldenrollen spielten. „Shaft“ ist ein Paradebeispiel dafür. Leider wurde ich in der Phase, als diese Filme ganz heiß waren, zu meiner Großmutter geschickt, die in irgendeinem Kaff in Tennessee lebte, wo es noch nicht mal ein Kino gab. Das war eine harte Strafe für mich, aber glücklicherweise hatte meine Oma nichts dagegen, wenn mich ältere Freunde am Wochenende ins Autokino mitnahmen, wo ziemlich coole Filme liefen.
kulturnews: Es scheint, als wollten Sie Ihre frühen Kinoerfahrungen mit „Kill Bill“ noch übertrumpfen …
Tarantino: Absolut! Das war für mich der eigentliche Reiz dabei. Actionregisseure waren für mich schon immer die ultimativen Vorbilder, und Actionszenen sind das Höchste, was das Kino zu bieten hat. Denn weder die Literatur noch das Theater können das vollbringen, was man im Kino zu sehen bekommt. Ich denke dabei nicht nur an Kung-Fu-Filme, sondern auch an andere Action-Höhepunkte. Zum Beispiel den Hubschrauberangriff aus Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“, den Showdown aus Sergio Leones „Zwei glorreiche Halunken“ und die Schießerei im Restaurant aus Michael Ciminos „Im Jahr des Drachen“. Das ist Kino in seiner höchsten Form, und „Kill Bill“ war für mich der Test, ob ich zu dieser Liga gehören kann oder nicht. Ich wollte nur herausfinden, wie gut ich wirklich bin.
Interview: Markus Tschiedert