Eine flog übers Kuckucksnest
In der Netflix-Serie „Ratched“ kennt die gleichnamige Krankenschwester keine Skrupel, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht.
In der Serie „Mrs. America“ spielt sie nur in einer Nebenrolle, in der stylischen Netflix-Serie „Ratched“ aber darf Sarah Paulson im sonnigen Nordkalifornien eine ganz düstere Heldin geben. Wir alle kennen Miltred Ratched als Krankenschwester aus dem Kultflm „Einer flog übers Kuckucksnest“ und haben Jack Nicholson die Daumen gedrückt, als er versuchte, diesen Drachen von Schwester zu erdrosseln. Doch wie wurde Miltred die, die wir so hassen lernten?
„Ratched“: Die Charaktere sind grundverschieden
Für die Beantwortung dieser Frage geht die Serie ins Jahr 1947 zurück, wo Miltred Ratched es schafft, das eh schon grausame System der Psychiatrie-Steinzeit noch einmal lässig zu toppen – stylisch und unerbittlich brutal. Doch stop! Natürlich war die Miltred Ratched aus Miloš Formans fünffach oscarprämertem Spielfilm 1976 noch so jung, dass sie knapp 30 Jahre vorher gerade mal als Teenager die Highschool hätte terrorisieren können. Haben wir es also mit dem Spin-off von Ideen und eines Charakters zu tun? Auch das nur bedingt. Die Miltred aus „Ratched“ ist ein Mensch ohne Skrupel: Sie erpresst, bringt Menschen in Lebensgefahr und ist sogar bereit zu töten, um ihre Ziele zu erreichen. Sie hat ihre eigene Agenda, Jack Nicholsons Gegenspielerin aber glaubte im Namen der guten Sache der Psychiatrie zu agiern, sie handelte mit der Brutalität und Unbarmherzigkeit eines Teils des Systems.
„Ratched“: Mehr „American Horror Story“ als Kuckucksnest
Der Hochglanz und das Stylische der Serie wurden oben schon benannt. Woher kommt diese schöne Oberfläche? Stichwort Ryan Murphy. Der Produzent stand schon für die Serie „Nip/Tuck“ gerade, in der zwei Ärzte der Schönheitschirurgie im Mittelpunkt der Handlung stehen und die von der Oberflächlichkeit der Schönheit handelt und diese durchaus ironisiert darstellt. Vor allem aber kann man sagen, dass „Ratched“ eine große ästhetische Nähe zur Ryan-Murphy-Serie „American Horror Story“ hat, nur eben ohne metaphysischen Horror. Psychologisch schwach, aber mit eindringlichen Bildern und plötzlich hochkommender Gewalt garniert, ist „Ratched“ geradezu das Gegenteil von „Einer flog übers Kuckucksnest“.