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Rattenrennen

Hält der pfeilschnelle Denker und Wüterich Bob Geldof eigentlich jemals die Klappe? Sagen wir so: ungern.Von Steffen Rüth

Mensch, was ist der Mann geladen. Bob Geldof pirscht an diesem trüben Vormittag durch sein sehr großes Zimmer in einem Berliner Privatclub, lässt seinen Kaffee kalt werden und schnaubt. „Alle Generationen sind gescheitert“, schimpft der Musiker aus Dublin, der vor über 40 Jahren mit The Boomtown Rats und Hits wie „I don’t like Mondays“ (handelt von einer Schulattentäterin) oder „Banana Republic“ (handelt von der Schlechtigkeit Irlands) erfolgreich wurde, bevor er 1994 mit Band Aid („Do they know it’s Christmas“) und im Sommer 1995 mit Live Aid (zwei gigantische parallele Konzertspektakel in London und Philadelphia) zum Gesicht der humanitären Hilfe für Afrika wurde. „Manche haben heftiger versagt als andere. Aber wir haben die Welt in die Kacke geritten wie noch nie jemand zuvor“, sagt er und schaut herausfordernd. Diese These mag debattierbar sein. Doch Bob Geldof möchte über seine Meinung jetzt nicht diskutieren, sondern sie lediglich abladen, zusammen mit einer Extraportion Zorn. „Die Welt ist voller böser Männer. Voller Schlächter, verantwortungsloser Kindsköpfe, Fälscher und Betrüger. Trump ist ein vulgärer Idiot, Putin ein Mafiagangster, Xi Jinping ein Volksverhetzer, Erdogan ein islamistischer Trottel, Salvini ein Faschist und Johnson, ach, Scheiße, Brexit … “ Es gelte zu retten, was noch zu retten ist, so der 68 Jahre alte, sehr drahtige und mit einer massiven Menge Grauhaar ausgestattete Sänger und Aktivist. Seine Hoffnung: die Jugend. „Greta Thunberg ist nicht der Bob Geldof des Jahres 2020, sondern cooler. Sie ist ein fantastisches Mädchen: außergewöhnlich klug und mutig und ohne Angst vor Autoritäten. Außerdem ist sie ohne Angst vor der Angst selbst – solche Menschen brauchen wir.“

Sollte jemand also geglaubt haben, Sir Bob sei 36 Jahre nach dem letzten Album der seit mehreren Jahren live und nun auch mittels Comebackplatte „Citizens of Boomtown“ wieder aktiven Viererband gemäßigter geworden, weiß es nach zweieinhalb Interviewminuten besser. „Meine Wut und meine Ruhelosigkeit treiben mich weiter an“, sagt Geldof, der eigentlich nur einmal kurz das Mundwerk hält, nämlich dann, als man mehrere Stücke des neuen Albums, etwa „Trash Glam, Baby“, „Monster Monkeys“ und speziell das an Bowie und Jagger erinnernde „Sweet Thing“ als sexy bezeichnet. Man sieht ihm an, dass er das ganz gut findet – aber niemals zugeben würde.

Ob solch ein Getriebener überhaupt bei irgendeiner Tätigkeit Entspannung und Erholung findet? „Das Einzige, was mich stoppt, ist das Lesen. Allerdings gibt mein Kopf auch dann keine Ruhe, sondern rennt mit den Geschichten auf und davon.“ Bleibt als letzte Entschleunigungsmaßnahme nur noch das jährliche Angelwochenende auf dem Flussgrundstück eines Freundes. Obwohl, irgendwie auch nicht. „Fischen an sich ist tödlich öde. Aber das, was ich daran mag, sind die Kameradschaft und die wilden Wortgefechte beim stundenlangen Weintrinken.“

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