„Rematch“: Krieg am Schachbrett zwischen Garri Kasparov und Deep Blue
Die Serie „Rematch“ auf Arte und in der Arte-Mediathek zeigt das zweite Match des Schachweltmeisters Garri Kasparov gegen den IBM-Computer Deep Blue – mit all seinen Wendungen, Überraschungen und Verschwörungsmythen.
Die Serie „Rematch“ ist ein atemstockender Thriller am Schachbrett. Garry Kasparovs Match gegen den Computer Deep Blue aus dem Jahr 1997 wurde schon als Film inszeniert, jetzt kommt eine sechsteilige Serie auf Arte und kann in der in der Arte-Mediathek gestreamt werden.
Über Garri Kasparov gibt es sehr viele Geschichten, der langjährige Schachweltmeister war der erste Popstar des Brettspiels, der sich gut zu vermarkten wusste – anders als der legendäre und exzentrische Bobby Fischer Anfang der 1970er Jahre. Kasparovs zweifaches Antreten gegen den Computer Deep Blue aber bildete den Gipfel seiner weltweiten Berühmtheit. Das lag auch an der Überbewertung des Computerturms Deep Blue durch die Öffentlichkeit, denn schon damals machte man sich intensiv Gedanken, ober der Computer vielleicht schon eine KI mit eigenem Bewusstsein sei. Vor allem aber das Postulat wurde gesetzt, dass das Schachspiel ein anderes sein würde als vorher, sollte Deep Blue gegen den besten Schachspieler der Menschheit gewinnen. Kasparow verlor das Rematch zwar, doch eine neue Ära des Schachspiels wurde dadurch nicht eingeläutet. Dass mit diesem Rematch aber viele Skandale, Verschwörungsmythen und echte Betrugsversuche verbunden waren, zeigt die Serie „Rematch“ – verbunden mit vielen Freiheiten, die sich sowohl Drehbuch als auch Regie nahmen. Die Arte-Produktion „Rematch“ wurde zur besten Serie im Internationalen Wettbewerb der Séries Mania in Lille gekürt.
Was ist Verschwörung, was nur Paranoia im Hirn eines Genies vom Kaliber eines Garri Kasparov – das kann und will auch die Serie „Rematch“ nicht auflösen, aber sie spielt mit den Variationen der Antworten auf diese Frage. Als Gasparaov 1996 zum ersten Mal gegen Deep Blue antritt – das Match findet noch in Philadelphia statt, und die Chefetage des Computerriesen nimmt davon überhaupt keine Notiz – will die Projektmanagerin Helen Brock (Sarah Bolger) in der Firmenzentrale gerade eine größere Präsentation starten, als alle Server zusammenbrechen. Warum? Die Antwort ist schnell gegeben: Die weltweiten Zugriffe auf das Match lassen die Server in die Knie gehen – so erfährt das Managment, was ein einsamer Nerd im IBM-Keller mit Deep Blue auf die Beine gestellt hat. Dass Gasparov das Match mit 4:2 gewinnt, lässt sie Blut lecken, Helen Brock übernimmt die Leitung und treibt den IBM-Mitarbeiter mit dem Spitznamen PC vor sich her: Er soll Deep Blue so schnell machen, dass er den Schachweltmeister schlägt. Wie und mit welcher Dramatik im Verlauf des Matches Deep Blue Garri Gasparov dann auch wirklich schlägt: das zeigt diese Serie.
Regisseur Yan England („Sam“) inszenierte das Match als Krieg, in dem mit allen Mitteln um den Sieg gerungen wird. Auf der einen Seite der Schachweltmeister Kasparov (Christian Cooke), der durch sein Aufwachsen in der inzwischen zusammengebrochenen Sowjetunion schon viel Überwachung, Verrat und Manipulation erlebt hat und davon latent paranoid geworden ist; auf der anderen Seite der von George Silverman (Donald Sage Mackay, zuletzt Nebenrollen in „Eric“ und „The Regime“) geführte Computerkonzern IBM, dessen Aktienkurs schon während und erst recht nach dem Match durch die Decke geht. Die Winkelzüge, die Kasparov anwendet, um den „rationalen“ Computer – dessen Stärke in den 200 Millionen berechneten Zügen pro Sekunde liegt – zu schwächen, seine Überraschung, als Deep Blue von dieser Berechenbarkeit abweicht: All das ist eingebettet in immer wiederkehrende Überlegungen Kasparovs hinsichtlich eines Betrugs, zumal IBM im Laufe des Matchs immer mehr internationale Schach-Großmeister einkauft, die den Computer hinter den Kulissen weiter mit Material füttern. Auch seine Mutter Klara Kasparova (Trine Dyrholm, „Das Fest“, „Die Kommune“, „Die neue Zeit“) kann ihrem Sohn gemeinsam mit dessen Manager nur begrenzt zur Seite stehen.
Schach ist ein sehr abstrakter Sport. Die Serie „Rematch“ schafft es, diesen Sport sinnlich wiederzugeben. Allerdings war der sportlich-dynamische und am Brett immer auf Krieg gebürstete „echte“ Kasparov der ideale Protagonist für eine solche Aufgabe.