„Songwriter“ von Richard Marx: Knutschst du noch?
Seit 35 Jahren steht er für Schmusesongs, doch mit Ende 50 und seinem neuen Album „Songwriter“ entdeckt Richard Marx auch andere Interessen.
Richard Marx, du singst ja nun meistens über die Liebe in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Dein Song „Shame on you“ vom neuen Album „Songwriter“ ist aber ganz anders, nämlich anklagend und abrechnend. An wen ist die Aufforderung gerichtet, sich zu schämen?
Richard Marx: Den Song habe ich als Reaktion auf die ganzen Agitatoren und Hetzer geschrieben, die eigentlich neutral und der Wahrheit verpflichtet sein sollten, aber auf TV-Sendern wie Fox News nichts als Lügen und Demagogie verbreiten. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit in den Medien noch wichtig waren. Manchmal haben es Wahrheiten an sich, dass sie unangenehm sind. Heute scheint es wichtiger, eine bestimmte Agenda zu haben, als einfach zu berichten, was ist.
Hätte es einen Präsidenten Donald Trump ohne solche Medienfiguren nie gegeben?
Marx: Sie haben ihm die Straße geteert, und jetzt steckt der Karren ganz tief im Dreck. Ich habe mein Land noch nie so in Stücke gerissen gesehen, es gibt nur noch „Wir gegen euch“. Ich bin ein glücklicher Mensch, dem es gutgeht. Aber als Mitglied der US-amerikanischen Gesellschaft mit einem aufgeräumten Blick auf die Welt, den ich mir zugutehalte, mache ich eine schwere Zeit durch.
Unzählige deiner Songs waren Hits, sowohl für dich als auch für andere wie NSYNC oder Keith Urban. Fällt es dir in den Schoß, einen erfolgreichen Song zu schreiben?
Marx (lacht): Nein. Schön wär’s. Tatsächlich ist das eine Kombination aus harter Arbeit, sehr viel Glück und dem richtigen Lied zur richtigen Zeit. Manchmal wird er größer als alles, was man sich vorstellen kann.
So wie „Right here waiting“, dein erster Riesenhit 1989. Woran hat es gelegen, dass der zum Evergreen wurde?
Marx: Ich glaube, das Paket war einfach stimmig. Der Song ist sehr knutschorientiert, und ich habe damals mit der langen Mähne und den engen Jeans imagemäßig in das Korsett von MTV gepasst.
„Ich war immer stolz auf die Diversität meiner Kompositionen, und dieses Mal habe ich es dann eben auf die Spitze getrieben.“ Richard Marx über sein neues Album „Songwriter“
Richard Marx, auf „Songwriter“ hast du 20 neue Songs fein säuberlich in vier Kategorien unterteilt – Pop, Rock, Country und Balladen. Was hat sich dazu bewogen?
Marx: Ganz kurz vor Corona hatte ich 2020 das Poprockalbum „Limitless“ veröffentlicht. Doch damit konnte ich dann nicht touren, und so habe ich gemacht, was ein Songwriter eben macht: Songs schreiben. Ich war immer stolz auf die Diversität meiner Kompositionen, und dieses Mal habe ich es dann eben auf die Spitze getrieben. Erst wollte ich einzelne EPs rausbringen, aber dann fand ich es cooler, alles zusammenzubinden.
Die Ballade „Always“ hast du gemeinsam mit der Songwriting-Ikone Burt Bacharach geschrieben. Wie alt ist er inzwischen?
Marx: Burt ist gerade 94 geworden. Ich war bei seinem Geburtstagsessen, er ist mein Freund. Unsere Freundschaft ist über das Songschreiben entstanden. Er ist ein außergewöhnlicher Mann, ich halte unglaublich viel von ihm. Körperlich ist er etwas gebrechlich, aber mental ist er zu tausend Prozent wach und auf der Höhe. Und er schreibt nach wie vor Songs.
Du selbst wirst nächstes Jahr 60. Wenn du die Wahl hättest: Lieber ein Biopic oder lieber ein Musical mit deinen Songs?
Marx: Biopic, ganz klar!. Ich stehe überhaupt nicht auf Musicals, aber ein Film über mein Leben, der könnte ganz lustig sein.