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Robert Stadlober singt Stefan Heym: „Arbeiten eines Teenagers“

Robert Stadlober Klara Deutschmann Daniel Moheit Graslandschaft
(Foto: Melanie Willmann)

Gemeinsam mit Daniel Moheim und Klara Deutschmann hat er Stefan Heyms Gedichte vertont. Robert Stadlober im Interview über sein neues Album.

Stefan Heyms Leben und sein Werk sind in der deutschen Geschichte einzigartig. Die meisten werden ihn für seine politische Arbeit, seine Prosaschriften und seine theoretischen Texte kennen, die er verfasst hat, als er aus dem Exil in die DDR zurückgekehrt ist.

Robert Stadlober hat sich für seine Verneigung vor dem Lebenswerk von Stefan Heym dafür entschieden, dessen Gedichte zu vertonen. Die allerwenigsten werden wissen, dass Heym überhaupt Gedichte geschrieben hat. Denn damit hat der Schriftsteller bereits 1937 aufgehört – doch die Lyrik des damaligen Teenagers bieten eine ganz neue Perspektive auf den Menschen Stefan Heym. Sie sind voll von jugendlichem Optimismus, unbedingter Überzeugung, Liebe und Weltschmerz.

Ein Gespräch mit Robert Stadlober über sein neues Album mit Klara Deutschmann und Daniel Moheit: „Heym – Vom Aufstoßen der Fenster“:

Robert, zuerst zum Anfang: Wie hat sich dieses Trio aus Klara Deutschmann, Daniel Moheit und dir ergeben?

Robert Stadlober: Ursprünglich wollte ich zum Jahrestag des Mauerfalls 2019 einen Abend mit Texten von Stefan Heym fürs Theater entwickeln und wollte dafür instrumentale Musik und, zusätzlich zu meiner, eine weibliche Stimme. Daniel war als Partner sehr schnell klar, weil wir seit Jahren in verschiedenen Konstellationen zusammen arbeiten und ich ihn sanft zwingen wollte, mehr Akkordeon zu spielen. Klara fand ich als Schauspielerin schon sehr lange sehr besonders und hab sie dann einfach mit einem verrauschten Handydemo von einem ersten Lied überredet. Dass sie auch Oboe spielen kann, haben wir erst sehr viel später herausgefunden. Wir hatten ja durch den Lockdown verhältnismäßig viel Zeit, die geheimen Talente der anderen zu entdecken.

Wart ihr alle schon vorher mit dem Werk von Stefan Heym vertraut? Wie ist die Idee entstanden, seine Gedichte zu vertonen?

Stadlober: Für mich war Stefan Heym schon immer enorm wichtig. Natürlich vor allem durch sein überragendes und meiner Meinung nach in Deutschland einzigartiges Werk, aber eben auch durch sein Leben, in dem er wirklich alle Katastrophen und Hoffnungsmomente des 20. Jahrhunderts durchlebt hat. Daniel wurde in Ost-Berlin geboren, ich glaube, Heym war schon in seiner Familie ein Thema, und wir haben uns über die Jahre auch immer über ihn unterhalten.

Klara kannte zu Beginn zwar den Namen, wusste sonst aber recht wenig. Sie war aber von den ersten Texten an sofort fasziniert. So wie die meisten eigentlich. Gerade junge Leute wissen oft noch, dass es Heym gab, kennen aber wenige bis keine Texte. Wenn sie aber Sachen von ihm lesen, sind alle in ähnlichem Maße begeistert.

Wie wirken seine Gedichte für euch im Vergleich zu seinem Spätwerk und seiner politischen Arbeit? Er hat ja, wenn ich das richtig verstehe, 1937 mit dem Dichten aufgehört.

Stadlober: In den Gedichten sind eigentlich schon alle Grundlagen für seine späteren Texte zu spüren. Das Infragestellen von Autoritäten, der melancholische aber feste Glaube an die Möglichkeit einer gerechteren Zukunft, der genaue Blick für die kleinen Dinge, die das Große erzählen. Und die scharfe Auseinandersetzung mit allem, was unter dem Banner Deutschland je firmierte.

Die erste Assoziationen mit Stefan Heym sind wohl seine Prosa oder seine politischen Schriften. Bieten seine Gedichte für euch eine Perspektive auf ihn, die in seinem sonstigen Werk nicht oder nur weniger im Mittelpunkt steht?

Stadlober: Die Texte sind ja letztlich die Arbeiten eines Teenagers, mit allem, was dazugehört: Weltschmerz, Liebe, Überschwang, Radikalität und Unbedingtheit. Perfekt natürlich für Popsongs – denn nichts anderes sind ja unsere Lieder im Grunde. Aber natürlich war Heym in einer gnadenlosen, zerstörerischen Zeit ein Teenager, und das verstärkt natürlich all diese Emotionen in ungeheurem Maße, noch dazu wo die Gedichte ja im Prinzip alle auf der Flucht vor den Nazis entstanden sind.

Der Titel, den ihr eurem Album gegeben habt – „Vom Aufstoßen der Fenster“ – lehnt sich an Stefan Heyms Rede kurz nach dem Mauerfall an, die in die Zukunft geblickt und sich der Möglichkeit der Demokratie angenommen hat.

Stadlober: Was mich an Heym am meisten beeindruckt, ist sein unbedingter Wille zu verstehen, zuzuhören, sich dann eine Meinung zu bilden – wie kontrovers sie auch sein mag – und diese dann mit voller Kraft und Überzeugung zu vertreten. Ohne Rücksicht auf die momentan vorherrschende. Damit hat er sich selten Freunde gemacht, in allen Systemen, in denen er gelebt und gearbeitet hat, und das waren einige. Aber er war damit immer auf der Seite der Unterdrückten und ist auch in beeindruckender Weise moralisch unangreifbar geblieben.

Du bist sowohl als Schauspieler als auch Sänger. Wie war es für dich, die Gedichte von Stefan Heym zu singen? Haben sich da die beiden Teile deiner Arbeit miteinander verbunden?

Stadlober: Die Songs sind ja fast alle im Lockdown entstanden, größtenteils bei meinem Vater auf der Terrasse unter einer alten Rotbuche. Und ich kann es nicht anders beschreiben, als dass sich die Melodien teils wie von selbst über die Texte gelegt haben. Ich hab sehr wenig bewusst nachgedacht, die Texte haben einfach darauf gewartet, gesungen zu werden.

Auch eure Instrumentation interessant: Akkordeon, Gitarre, Oboe und Gesang. Habt ihr bewusst auf ordnenden Rhythmus verzichtet?

Stadlober: Wir haben ja mit Andreas Spechtl von Ja, Panik aufgenommen, mit dem ich schon viele musikalische Abenteuer hinter mir habe. Wir haben lang über Rhythmus nachgedacht und uns dann bewusst dagegen entschieden. Auf der einen Seite, um so weit wie möglich vor Deutschrock-Klischees gefeit zu sein, und auf der anderen Seite, um die Texte den Rhythmus vorgeben zu lassen. Denn Lyrik muss frei fließen können, finde ich.

Wie habt ihr die sicherlich schwere Entscheidung getroffen, welche Gedichte ihr vertont?

Stadlober: Ich habe ehrlich gesagt einfach durchs Buch geblättert, und wo ich an einem bestimmten Tag inhaltlich hängen geblieben bin, da hab ich dann versucht, mich festzubeißen. Ein paar Texte hat sich Klara dann noch gewünscht, und die sind bei der ersten Aufnahmesession im Burgenland entstanden, als wir im Sommer letzten Jahres unterm Pfirsichbaum von Andreas’ Mutter aufgenommen haben.

Bäume waren wohl fürs Songwriting sehr wichtig. Und zu Beginn des Schreibens, Mitte 2019 war das, auch noch meine damals gerade ein paar Monate alte jüngere Tochter. Die hatte ich beim Schreiben immer in der Trage und die Gitarre dann noch davor. Wenn sie sich bei einer Melodie beschwert hat, hab ich sie gleich wieder verworfen. Schwierig war es letzten Endes, die 19 Lieder auszuwählen, die es nun geworden sind. Es gibt noch um die 10 weitere. Aber vielleicht machen wir einfach noch eine Platte.

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