One small Step
Brian Eno hat etliche musikalische Revolutionen losgetreten. Wenn er mit seinem Bruder Roger den Blick auf Vergangenheit und Zukunft der Musik legt, ist das gerade deshalb eine Detailarbeit.
Es ist nur wenig verwunderlich, dass Fortschritt bei Ambient-Pionier Brian Eno nicht mehr von hier auf jetzt stattfindet. So abenteuerlustig und produktiv der Brite seit jeher ist, so wenig sensationalistisch ist seine Musik mittlerweile – been there, done that könnte er mit Fug und Recht sagen. Die ersten beiden Alben, die Eno als Mitglied von Roxy Music aufgenommen hat, sind längst Meilensteine der Popmusik. Sein „Ambient 1: Music for Airports“ hat dem Ambient-Genre seinen Namen gegeben und Minimal Music in die Sprache der Popkultur übersetzt, und bis heute ist sein Echo in experimenteller elektronischer Musik zu vernehmen. Er hat zahlreiche legendäre Alben produziert („Remain in Light“, „The Joshua Tree“) sowie mit David Byrne und „My Life in the Bush of Ghosts“ ganz nebenbei eines der ersten Alben aufgenommen, das die Praxis des Sampling jenseits ihres ursprünglichen Kontexts im HipHop verwendet hat. Und doch ist Enos neues Album „Mixing Colours“ das erste Duo-Album mit seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Roger, kein abgeklärter Selbstgänger. Im Gegenteil. Es ist vielleicht die größte Stärke, die Eno sich in seiner über 40 Jahre langen Karriere erarbeitet hat: geduldig zu sein, ohne dafür seine Neugier oder seinen künstlerischen Drang aufzugeben.
„Mixing Colours“ hat seinen Anfang bereits vor 15 Jahren genommen, mit MIDI-Aufnahmen von seinem Bruder Roger. Brian hat sich dieser MIDI-Dateien angenommen, er hat sie rekontextualisiert und verfremdet. „Wir haben nicht auf ein Endresultat hingearbeitet – es war wie das Hin und Her eines Gesprächs, das wir 15 Jahre lang geführt haben“, fasst Roger die Arbeit an „Mixing Colours“ zusammen. Dieser Dialog steckt tief in den 18 Stücken, die Roger und Brian Eno nun veröffentlichen. Es sind Reflektionen über die Vergangenheit und die Zukunft der Musik: Zwischen Rogers zutiefst melancholischem Klavierspiel, das etwa in die Vergangenheit des 19. Jahrhunderts weist, öffnen Brians elektronische Einschübe immer wieder subtil die Bandbreite der Möglichkeiten, zu der die moderne Technik elektronischer Instrumente die Musik mittlerweile befähigt: „Jedes Instrument repräsentiert eine begrenzte Menge klanglicher Möglichkeiten, eine einzige Insel im grenzenlosen Ozean aller möglichen Klänge, die man hervorbringen kann. Bei der Elektronik werden alle Räume zwischen diesen Inseln erforscht.“ Die Gemeinschaftsarbeit der beiden Brüder bemisst seine Räume so vorsichtig wie minutiös. Schon die kleinste Bewegung zieht auf „Mixing Colours“ weite Kreise.
Jonah Lara
Mixing Colours ist gerade erschienen.