Rosa von Praunheim
Mit seinem biographischen, überraschend konventionell und mit Stars wie Ben Becker, Wolfgang Völz und Otto Sander gedrehten Spielfilm „Der Einstein des Sex“ erinnert der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim an den deutschen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868-1935), dessen Werk durch die Nationalsozialisten fast völlig vernichtet wurde.
city.mag: Rosa von Praunheim, wer Ihre früheren Filme kennt, wird bei „Der Einstein des Sex“ über die gradlinige, vergleichsweise unspektakuläre Erzählweise überrascht sein.
Praunheim: Die allererste Drehbuchfassung war noch ein wenig verrückter. Dort kam Hirschfeld wieder in die Gegenwart zurück und schaute nach, wie das Sexleben der Deutschen nun so läuft. Das war eher komödiantisch gemacht, um anhand dieser Rahmenhandlung die Vergangenheit zu erzählen. Allerdings hat sich herausgestellt, dass die Leute doch sehr an diesen historischen Dingen interessiert sind und dass man sich, was den Sex der Gegenwart angelangt, nur sehr schwer in Konkurrenz mit Sendungen wie „Liebe. Sünde“ oder „Wa(h)re Liebe bringen kann. Das Ausbeuten von allen sexuellen Perversitäten ist ja auf allen Sendern gleichermaßen populär. Dafür kann man niemanden mehr so richtig interessieren. Das Einzige, was die Leute wirklich noch bewegt, ist Seriosität und Emotionalität.
city.mag: Hirschfelds Privatleben ist eher spärlich dokumentiert.
Praunheim: Ganz viel ist vernichtet worden. Daher finde ich es auch legitim eine Figur wie die Haushälterin Dorchen hinzuzuerfinden, die Hirschfeld nahe ist. Er hatte ganz bewusst nichts über sein Intimleben aufgezeichnet, weil er wusste, es könnte ihn seine Stellung als anerkannter Wissenschaftler und Arzt kosten. Er musste zudem sehr aufpassen, sich nicht erpressbar zu machen, was zu seiner Zeit sehr häufig vorkam. Deshalb arbeitete auch die Polizei mit ihm zusammen, weil immer wieder Männer aus sehr hohen Kreisen wegen ihrer Homosexualität in Erpressungen verwickelt wurden. Die soziale Not im Berlin der Jahrhundertwende war so ungeheuer groß, dass viele als Stricher oder Erpresser ihr Geld verdienten, um zu überleben.
city.mag: Haben Sie während der Dreharbeiten Ihre alte, eher spontane Arbeitsweise vermisst?
Praunheim. Ich habe manchmal gezweifelt, ist es richtig, was ich mache. Ich habe gleich danach in Hollywood „Can I be your Bratwurst please“ mit dem Pornostar Jeff Stryker gedreht, wieder etwas Verrücktes mit viel Improvisation. Das tat ganz gut.
Interview: Axel Schock