Ruhrhochdeutsch startet bald
Geselligkeit und Entertainment bei Essen und Trinken: Jedes Jahr ab Mitte Juni sorgt das Festival Ruhrhochdeutsch im Spiegelzelt am Steinernen Turm in Dortmund für eine unvergleichliche Atmosphäre.
Geselligkeit und Entertainment bei Essen und Trinken: Jedes Jahr ab Mitte Juni sorgt das Festival Ruhrhochdeutsch im Spiegelzelt am Steinernen Turm in Dortmund für eine unvergleichliche Atmosphäre. Vier Monate lang bis Mitte Oktober bespielen die Macher um Horst Hanke-Lindemann vom Fletch Bizzel das Zelt, unterschiedliche Gastronomiekonzepte wechseln sich ähnlich ab wie das Programm, das von Wien bis Berlin die besten Comedians und Kabarettisten versammelt. Eröffnet wird das Festival Donnerstag nächster Woche mit einer Benefiz-Gala für die Clownsvisite Dortmund. kulturnews sprach mit Horst Hanke-Lindemann, dem künstlerischen Leiter von Ruhrhochdeutsch.
„Wenn man uns nur arbeiten ließe!“
Die Finanzierung des Festivals Ruhrhochdeutsch in Dortmund fährt seit Jahren Achterbahn. Der künstlerische Leiter Horst Hanke-Lindemann kann das erklären – absurd ist es trotzdem.
Herr Hanke-Lindemann, Sie waren mal Fotograf. War das ein Beruf oder aus Leidenschaft?
Horst Hanke-Lindemann: Aus Leidenschaft. Es gab zwar damals in Dortmund zwei freie Lehrstellen, ich habe aber keine bekommen. Danach habe ich alles mögliche gemacht, auch eine Ausbildung, aber als ich zum Theater kam, hat mir das alles eröffnet, was die Fotografie hergab. Mit einer gebrauchten Rollei für kleines Geld fing es an mit der Bühnenfotografie. Ich habe den Medien damals ganz gute Fotos geliefert.
Wofür ist ein fotografischer Blick in Ihrem Beruf wichtig?
Hanke-Lindemann: Ich habe mal eine Form von Gesellschaftsfotografie gemacht, als ich in Hamburg beim Scharlatan-Theater arbeitete. Da hatten wir ein legendäres Dia-Programm, im Rahmen dessen wir Situationen fotografierten, Gespräche, Diskussionen, wo Mitarbeiter von Firmen zusammengekommen sind. Wichtig dabei war zu erkennen: Worum geht es da wirklich? Ist es nur ein Smalltalk, um sich näher zu kommen oder oder neue Entwicklungen zu forcieren? Oder sind es wirklich zwischenmenschliche Geschichten, die sich da abspielen? Nahezu unterbewusst zu erkennen, was da passiert, und das dann so umzusetzen, dass die Leute das auf den Fotos erkennen, ihre Natürlichkeit, wie sie in der Auseinandersetzung sind, ier Diskussion: das ist für mich Fotografie.
Dann haben Sie ja den richtigen Blick für folgende Frage: Was passierte kommunikativ zwischen dem Fletch Bizzel und der Stadt Dortmund bei der Finanzierung von Ruhrhochdeutsch? Der städtische Zuschuss sank dieses Jahr pünktlich zum Jubiläum auf 30 000 Euro. Nächstes Jahr wird der Hahn ganz zugedreht. Sie haben die Preise angehoben, aber wie geht es weiter?
Hanke-Lindemann: Ich glaube, es geht sehr positiv weiter, denn die Stadt Dortmund hat für die nächsten drei Jahre 1,2 Millionen draufgelegt. Die unterschiedlichen Kulturzentren bekommen einen höheren, einen enorm höheren Zuschuss. Wir sind mit 105 000 Euro dabei.
Geht das Geld an das Fletch Bizzel oder an Ruhrhochdeutsch?
Hanke-Lindemann: Das kann man nicht trennen. Ich will nicht sagen, dass wir ein Konzern sind, aber wir sind die führende Unternehmung in Sachen Kultur in der Region. Wir machen die großen Sachen wie den Geierabend mit 40 Veranstaltungen, die alle ausverkauft sind, und kriegen dafür auch den Tegtmeier-Preis verliehen im Herbst. Wir haben Ruhrhochdeutsch, das diesen Monat startet. Zwar geht das Geld ans Fletch Bizzel, aber wir haben die Möglichkeit, damit umzugehen, wie wir wollen.
Können Sie damit die Kürzungen der letzten Jahre ausgleichen?
Ich denke, dass wir so 40 bis 45 000 in Ruhrhochdeutsch mit reinnehmen können. Nimmt man die Preiserhöhungen hinzu, sind wir schon bei 80 000 Euro. Einsparungen unter anderem in der Werbung kommen hinzu. Das alles führt dazu, dass das Festival wieder finanzierbar ist, auch wenn immer noch 30 bis 40 000 Euro fehlen.
Ihr Anspruch als künstlerischer Leiter ist Kritik und Aufklärung in der Unterhaltung. Findet die Stadt nicht mehr wichtig, was Sie jeden Sommer machen?
Hanke-Lindemann: Mit dieser Frage sind wir beim Witzigen am Thema. Die Stadt steht zu 100 Prozent hinter dem, was wir machen, egal, wen ich anspreche, ob es die CDU, ob es die SPD, ob es die Linke ist. Ich sitze ja immer als Gast im Kulturausschuss: In jeder Sitzung wird geschwärmt! Keiner möchte, dass Ruhrhochdeutsch stirbt. Manchmal kommt es mir so vor wie ein Spiel, damit es uns nicht zu bequem wird: Man testet mal aus, wie weit wir gehen können, wir vom Theater. Was wir aushalten können an Einsparungen. Und dann geben sie uns wieder 105 000 Euro mehr. Wenn man uns einfach nur arbeiten lassen würde! Es wäre viel fruchtbarer für die Stadt, noch fruchtbarer, als es so schon ist. Ich glaube, dass wir Gutes abliefern für das Erscheinungsbild Dortmunds.
Fazit: Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Hanke-Lindemann: Was die Zuschauerzahlen anbetrifft, läuft das Glas fast über. Wir haben Steigerungen bei Ruhrhochdeutsch, der Geierabend ist immer ausverkauft. Das Glas in Bezug auf die Finanzen ist – glaube ich – halb voll. Halb leer geht dann doch weiter nach unten. Halb voll ist: Da geht noch was drauf, wenn ein guter Regen kommt.
Interview: Jürgen Wittner
CHECKBRIEF
Geboren 1953
Geburtsort Dortmund
Ausbildung zum Schauspieler (ohne akademischen Grad)
Berufe Kulturmanager, freier Schauspieler
Fletch Bizzel Leitung seid den 1980ern
Ruhrhochdeutsch Leitung seit 2008
Erfolge oder Stationen im Leben Theater Fletch Bizzel, Scharlatan Theater, Ausstellungen mit Multiple Art von Christo Javacheff
Leidenschaft Theater, Fotografie, Christo und Italien
Festival Ruhrhochdeutsch 13. 6.–13. 10., Dortmund