Rupert Everett
Als Kind hätte er lieber Rufus satt Rupert geheißen. Nun spielt der smarte Brite Rupert Everett in der Oscar Wilde-Verfilmung „Ernst sein ist alles“ einen Dandy, der sich für sein Doppelleben einen zweiten Vornamen zugelegt hat. Ein Gespräch über das wahre Leben hinter falschen Fassaden.
kulturnews: In den Komödien Oscar Wildes herrscht die perfekte Liebe auf den ersten Blick. Glauben Sie an so etwas?
Rupert Everett: Nein, das tue ich nicht. Haben Sie denn schon mal sowas erlebt? Die meisten Menschen, die ich kennen gelernt habe und die eine wirklich große Beziehung mit einem anderen eingegangen sind, haben ihren Partner anfangs richtig gehasst und erst viel später lieben gelernt.
kulturnews: Ihr Filmcharakter Algernon verhält sich gegenüber seiner Angebeteten nicht gerade ehrlich. Sind Sie ein zuverlässiger, ein treuer Geliebter?
Everett: Was für eine Art Gespräch wird das eigentlich? (lacht). Ich bin zu allen meinen Liebhabern treu!
kulturnews: Es ist dies bereits die zweite Wilde-Verfilmung für Sie, und wenn’s nach Ihnen geht, würden sie sogar „Dorian Gray“ neu verfilmen. Warum das Interesse an diesen alten Stoffen?
Everett: Oscar Wilde war seiner Zeit weit voraus. In all seinen Stücken geht es um die äußere Erschienungsweise der Charakteren, um ihre Fassaden, die im völligen Gegensatz zu ihrem Innenleben stehen. Also genau jenes Phänomen, das Sigmund Freud später wissenschaftlich auseinandergelegt hat. Alle Figuren in „Ernst sein ist alles“ können nur sich selbst sein, wenn sie jemanden anderen spielen. Fantasie und Realität, Fassade und wahres Ich stehen ständig im Widerspruch.
kulturnews: Die gesellschaftlichen Konventionen, die bei Wilde eine wichtige Rolle spielen, sind heute jedoch überholt.
Everett: Einerseits sind natürlich sind diese Konventionen tatsächlich passé. Andererseits glaube ich nicht, dass nur weil wir eine mehr relaxte und liberale Fassade vorweisen, sich deshalb wirklich viel verändert hat. Die Geschichte von Dorian Gray hat doch zum Beispiel sehr viel mit diesen hochgestylten Calvin Klein-Werbeplakaten zu tun.
kulturnews: Das müssen Sie jetzt aber erklären.
Everett: Everett: Es dreht sich alles um den schönen Schein. Fassade ist alles. Amerika IST Dorian Gray. Das ganze Leben dreht sich dort darum, sich so zu geben und zu stylen, damit die Menschen möglichst genau das Bild von Dir sehen, das sie von Dir haben sollen. Natürlichkeit oder gar Aufrichtigkeit zählen nicht. Auch wenn die Leute Sneakers, Shorts und T-Shirts tragen und vermeintlich locker wirken, ist dies letztlich doch alles sehr streng formell. Ich meine damit: Nur weil wir legere Kleidung tragen, heißt dies noch lange nicht, dass wir deshalb offenherziger oder authentischer wären.
kulturnews: Wo müssen Sie als Privatmann mehr eine Rolle spielen: in den USA oder in Großbritannien?
Everett: Als Privatmensch? Da lebe ich am besten ständig woanders. Dann bekommt nämlich niemand so schnell mit, was meine Angewohnheiten sind! Als prominenter Mensch ist es stets am besten, wenn am ständig reist. Mein Beruf erfordert glücklicherweise, dass ich immer wieder woanders bis.
kulturnews: Sind Sie denn gerne in Hollywood?
Everett: Ich liebe es in Hollywood zu arbeiten. Ich bin jetzt für längere Zeit dort, um an meiner ersten TV-Show zu arbeiten. „Mr. Ambassador“, eine überdrehte Sitcom für NBC. Mein Hauptproblem mit Hollywood ist: Es ist soweit weg von Europa. Man fühlt sich wirklich am Ende der Welt. Wenn wenigstens New York gleich um die Ecke läge!
kulturnews: Zwei Romane haben Sie bereits veröffentlicht. Was ist aus dem dritten Projekt „Guilty Without Sex“ geworden?
Everett: Ach, das habe ich irgendwann abgebrochen. Ich wollte mich mehr auf die Entwicklung von eigenen Filmideen konzentrieren.
kulturnews: Und die Schriftstellerkarriere haben Sie ganz aufgegeben?
Everett: Nicht wirklich. 1991 drehte ich eineinhalb Jahre für eine historische TV-Serie in Russland. Das war nicht nur politisch eine unruhige und spannende Zeit, sondern auch für mich privat eine der aufregendsten Monate meines Lebens. Diese Erlebnisse versuche ich gerade mühsam aus meinem Gedächtnis zu kramen und niederzuschreiben.
kulturnews: Wie kommt man zu einem Engagement für eine russische Fernsehserie?
Everett: Ganz einfach. Ich war wieder einmal pleite und ohne Job. Sie haben erst alle anderen Schauspieler dieser Welt gefragt und hätten natürlich viel lieber Richard Gere gehabt. Aber die hatten verständlicherweise alle keine Lust für über ein Jahr nach Russland zu gehen. Mir blieb nichts anderes übrig (lacht).
kulturnews: Hat „Die Hochzeit meines besten Freundes“ Ihren Marktwert und Ihre Karriere verändert?
Everett: In der Tat, im Guten wie im Schlechten. Danach kamen zwar Angebote, aber jedes Mal sollte ich den besten schwulen Freund spielen. Sowas ist einfach auf Dauer langweilig. Ein Schauspieler ist schließlich mehr als seine Sexualität. Ich möchte möglichst gute Filme machen und da muss immer noch sehr viel suchen, um die richtigen Rollen für mich zu finden.
kulturnews: Was wäre das denn für welche?
Everett: Ich möchte möglichst viele Genres ausprobieren, in ernsthaften britischen Filmen spielen wie in amerikanischen Komödien. Und ich würde gerne mehr in Italien und Frankreich arbeiten.
kulturnews: Und wie wär’s mit Bollywood?
Ich würde es lieben! Ich bin ein großer Fan dieser so schön kitschigen indischen Bollywood-Dramen. Glücklicherweise engagieren sie immer mehr britische Schauspieler. Es gibt also Hoffnung.
Interview: Axel Schock