Rupert Everett
In „Stage Beauty“ spielt Rupert Everett König Charles II und schwitzt meist unter einer barocken Perücke. Das Filmbiz selber treibt dem 46-jährigen Briten keine Schweißperlen mehr auf die Stirn. Grund: mangelnder Idealismus.
Die Diva Everett ist heute nicht im Dienst. Die Diva, die Interviews genervt und launisch über sich ergehen lässt und dafür umso zickiger über Kollegen lästert. Stattdessen sitzt da ein sportlich schlanker Mann von Mitte 40 auf dem Sofa der Hotelsuite. Er trägt ein schlichtes, graues T-Shirt, Jeans und Turnschuhe, und was auf den ersten Blick wie ein originelles Accessoire aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Fahrradschlüssel an einem Bindfaden.
Rupert Everett, Ex-Model und als Dandy und Aristokrat im filmischen Dauereinsatz, gibt sich erstaunlich gelassen und abgeklärt. Der Rummel des Filmgeschäfts und auf den Laufstegen dieser Welt scheint ihn nicht mehr zu tangieren. „Mode ist in unserem Leben nur deshalb so wichtig geworden, weil wir sie brauchen, um zu wissen, wer wir sind. Schauen Sie uns doch mal an: Jeder hat ein Markenzeichen an den Klamotten. Ohne Label sind wir nackt. Schrecklich, oder?“
Solche Labels finden sich bei Everett nicht nur an den Armani-Jeans und Nike-Sneakers. Das wesentlich größere und bedeutsamere, wenn auch unsichtbare Etikett klebt fest an ihm selber: sein Image. Rupert Everett, das ist der versnobte, zickige Brite in Hollywood, der schicke Schwule mit dem guten Klamottengeschmack. Die erste Wahl, wenn es darum geht, in Kostümfilmen wie „Stage Beauty“ einen exzentrischen König oder in Oscar-Wilde-Adaptionen einen eleganten Lebemann zu besetzen. „Die Casting-Agenten denken da gar nicht an erster Stelle an mich, sondern haben zunächst ganz andere Namen im Sinn. „Aber am Ende“, sagt er mit einem Lachen, „bleibt der Job dann doch an mir hängen.“
Everett weiß: Als Künstler ist es nicht schwer, ein Image verpasst zu bekommen. Das Schwierige ist, es wieder loszuwerden. Also gilt es, sich damit zu arrangieren. „Immerhin war es ein förderliches Etikett“, gibt Everett zu. „Es hält meine Karriere seit 25 Jahre am Laufen – darüber bin ich glücklich.“ Denn die Branche ist schnelllebig: „Da fällt man schnell unten durch und ist vergessen.“ Über 50 Kino- und Fernsehproduktionen umfasst Everetts Filmografie bisher: erfolgreiche („Die Hochzeit meines besten Freundes“), gescheiterte (das Madonna-Vehikel „Ein Freund zum Verlieben“), und manches, für das sich selbst Everett-Fans schämen, wie den italienischen Zombie-B-Movie „Dellamorte Dellamore“. Aber schließlich muss auch an schlechten Tagen die Miete bezahlt werden.
Das Erstaunliche: Everett zeigt sich keineswegs frustriert über diese Um- und Abwege seiner Karriere und über die unerfreulichen Nebenwirkungen seines Jobs. „Am Anfang besitzt man als Schauspieler noch Idealismus. Aber der ist in diesem Geschäft nur hinderlich.“ Doch auch wer alles für die Karriere opfert, kann gnadenlos scheitern. „Das Showbusiness hat die Macht, dich zu zerstören. Es kann dein ganzes Leben auffressen. Du glaubst, immer diese eine große Chance ergreifen zu müssen und dafür alles andere, selbst dein Privatleben, aufgeben zu müssen. Und doch geht alles schief.“ Irgendwie, so scheint es, spricht Everett hier aus eigener Erfahrung.
Und noch etwas musste Everett begreifen, um in der Filmindustrie zu überleben: Glaube bloß nicht, was die Menschen über dich denken. Das Image der geistreichen, aber schwierigen männlichen Diva ist nicht gerade schmeichelhaft. „Du musst dir bewusst sein, dass das Bild, welches die Menschen von dir haben, nicht der Wirklichkeit entspricht. Ich fand es früher grausam und frustrierend, was die Menschen so über mich denken.“ Heute geht er entspannter damit um: „Natürlich bin ich manchmal auch schwierig, aber kein Image erzählt alles über einen Menschen. Dafür ist jede Persönlichkeit viel zu komplex, um damit allein erfasst zu werden.“
Lästige Journalistenfragen nach seinem Privatleben, die Verlogenheit der Branche – der oft so dekadent spielende Schauspieler Rupert Everett ist viel zu lange im Geschäft, als dass ihn das noch aufregen könnte. Er übt sich lieber in Demut: „Den Horror des Showbusiness zu ertragen heißt, in einem Fünf-Sterne-Hotel zu leben, verglichen mit den Lebensumständen, die ein Großsteil der Menschheit in der Dritten Welt ertragen muss. Darüber zu klagen – das wäre wirklich dekadent.“ Ernst zu sein, das wusste schon Oscar Wilde, ist eben alles.
Axel Schock