„Sad Girl Summer“ von Sophia Blenda: Keine bloße Ästhetik
Unter ihrem Alter Ego Sophia Blenda veröffentlicht Culk-Frontsängerin Sophia Löw unterkühlten Kammerpop und kündigt ihr nunmehr zweites Soloalbum „Die Summe der Vereinzelung“ an. Bereits mit der ersten Singleauskopplung zeigt sie die Verharmlosung von weiblichen Erzählungen auf.
Der „Hot Girl Summer“ als popkulturelles Phänomen hat in den vergangenen Jahren eine ganze Generation beeinflusst und TikTok, Instagram & Co nachhaltig geflutet: eine befreiende, emanzipierte Lebensweise von Frauen, die kompromisslos sie selbst sind und auf so ziemlich gar nichts etwas geben. Lieb’ deinen Körper wie er ist, färb’ dir die Haare, lass den BH weg – egal was du machst, mach es für dich und lass die Meinungen anderer die Meinungen anderer sein. Die Empowerment-Bewegung ist – Gott sei Dank – nicht neu, doch hat mit dem Hot Girl Summer eine virale Begrifflichkeit dazugewonnen.
Etwas länger gibt es das tumblr-esque Sad Girl, ein Begriff für eine Ästhetik, die in der Popkultur schon lange Einzug hält und seit Jahrzehnten prominent mit Popgrößen einhergeht. Unterkühlt wabernder Schmerz haftet an den Texten von Künstlerinnen wie Lana Del Rey, Billie Eilish oder Phoebe Bridgers und reicht bis hin zu Altmeisterinnen wie Nico oder Kate Bush. Eine Melancholie durchzieht viele ihrer Songs, angefangen bei den düsteren Visuals oder Instrumentierungen und enden bei den tieftraurigen Lyrics, die teilweise bis hin zu suizidalen Gedanken reichen.
Der „Sad Girl Summer“ als Beispiel für die Verharmlosung von Frauenstimmen
Doch beiden Begrifflichkeiten liegt etwas viel Tiefliegenderes zugrunde. Sophia Blenda vereint auf ihrer neuen Single beides und geht auf Spurensuche: Warum ist der Schmerz überhaupt so präsent bei so vielen Künstlerinnen, warum singen ihn Millionen von Menschen aus voller Überzeugung mit, und warum wird dieser so vielfach erlebte Schmerz so sehr glorifiziert und beinahe als gegeben wahrgenommen? Liegt es vielleicht daran, dass wir als Gesellschaft noch immer weibliche Stimmen nicht so für voll nehmen wie die ihrer männlichen Gegenparts?
Blenda greift für „Sad Girl Summer“ Textzeilen von den namhaften Sad Girls mehrerer Generationen auf und zeigt anhand dieser auf, wie unterschiedlich und doch gleich das Schmerzerleben dieser Frauen ist. „Billie’s on her own could lie she likes it like that/Lana sings hope is a dangerous thing for a woman with her past/Phoebe blacks out in her car and is blue all the time/Ethel hopes she crashes“, heißt es da in der zweiten Strophe. Und es schlägt doch wieder allzu sehr auf den Magen, wenn die Gemeinsamkeit dieser Zeilen schlussendlich immer darauf zurückführen ist, dass Frauen strukturell diskriminiert werden und unter einer patriarchalen Gesellschaft zu leiden haben.
Das beobachtet beileibe nicht nur Sophia Blenda, doch der Frontsängerin der Postpunkband Culk ist es ein großes Anliegen gewesen, sich einmal auf Albumlänge über die verharmlosende Rezeption weiblicher Erzählungen zu beschäftigen – und da ist bei weitem nicht nur die Verharmlosung von dem popkulturell genutzten Schmerz von Frauen gemeint. Viel mehr ist das nur eins der vielen Beispiele für das Herunterspielen von Frauenstimmen, das in seinen Auswirkungen bis hin zu dem Nicht-Glauben von Opfern sexueller Gewalt reichen kann, aber sich auch in vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft widerspiegelt.
„Die Summe der Vereinzelung“ als Antithese der Einzelfälle
„Sad Girl Summer“ markiert somit den Startpunkt für ihr neues Album, das genau diese Thematik verhandelt. Bereits im Albumtitel „Die Summe der Vereinzelung“ steckt dabei schon die Problematik, denn es ist eben nicht nur eine Unmenge von Einzelfällen, sondern einzig und allein eine strukturelle Ursache, die sich bei einem „Weiter so“ niemals auflösen wird. Sophia Blendas neues Album ist das Gegenteil zu „Weiter so“ und erscheint am 11. April 2025.